Drängler nicht zu stoppen

Zu dichtes Auffahren verursacht immer mehr Unfälle. Es drohen zwar hohe Bußgelder, es gibt aber kaum Kontrollen.

Düsseldorf. Jeder kennt das Phänomen, besonders auf den Überholspuren der Autobahnen: Bei Tempo 160 und schneller fahren viele Autofahrer Stoßstange an Stoßstange. Wer den vorgesehenen Abstand einhält, fühlt sich fast wie ein Exot und wird rechts überholt.

Dabei zählt das dichte Auffahren zu den Hauptunfallursachen - mit deutlich steigender Tendenz in NRW. Im Jahr 2004 hat die Polizei noch rund 12800 Unfälle registriert, in denen zu geringer Abstand die Ursache war. Im Vorjahr lag die Zahl dann schon bei etwa 15000 Unfällen.

In Verkehrsforen im Internet finden sich Aussagen, die tief in die Autofahrerseele blicken lassen. Beispiel: Ein Mann, der erwischt wurde, sucht nach Tipps, wie er dem Bußgeld entgehen kann: "104 km/h = 52 Meter Sollabstand - ich brauche kaum zu erklären, dass 52 Meter in befahrenen Autobahnen kaum möglich sind, denn bei so einem Abstand und derart geringer Geschwindigkeit passen zwei bis vier Fahrzeuge rein." Für den Düsseldorfer Verkehrs-Psychologen Volker Handels sind solche Einstellungen keine Überraschung. Er sieht im dichten Auffahren eine "weit verbreitete Unsitte". Und worin liegt der Grund für dieses gefährliche Verhalten? Handels hat zwei verbreitete Fahrertypen beobachtet, beide männlich: zum einen junge Machos, die im Auto Kraft und Erfolg demonstrieren wollen, die ihnen im Alltag abgehen.

Der andere Typ ist im Beruf erfolgreich und wendet seinen Ellbogenlebensstil auch am Steuer an: Sie wüssten, dass sie den vorgeschriebenen Abstand unterschreiten (siehe Kasten), sagen aber: "Ich habe das im Griff. Wenn ich mehr Abstand halte, drängt sich ständig einer dazwischen."

Im Großraum Düsseldorf gilt die A46 wegen der hohen Verkehrsdichte als besonderer Gefährdungspunkt, auch wenn das Polizeipräsidium keine konkreten Angaben zu Unfallschwerpunkten machen kann. Regelmäßig werden deshalb zwischen Haan-Hochdahl und Haan Ost Kontrollen gemacht. Außerdem auf der A3 am Höseler Berg.

Die Politik hat Anfang dieses Jahres versucht, die Abschreckung für Raser zu erhöhen, indem die Bußgelder - auch bei Unterschreitung des Mindestabstandes - deutlich erhöht wurden. Wer zum Beispiel bei 120 km/h auf weniger als 30 Meter auffährt, muss seit dem 1. Februar mit 100 Euro Bußgeld rechnen, bei weniger als 12 Metern sind es inzwischen 320 Euro. Anfang dieser Woche ist in Frankfurt ein 63-jähriger Autobahn-Drängler zu einer Geldstrafe von 6000 Euro verurteilt worden. Das Gericht sah den Tatbestand der Nötigung erfüllt. Der Bauunternehmer hatte mehrere Fahrzeuge von der linken Fahrspur verscheucht, um überholen zu können.

Gefasst wurde der Mann eher zufällig, denn er hatte auch einen Zivilwagen der Polizei von der Spur gejagt. Das Problem ist: Kontrollen und Bußgelder sind eher die Ausnahme, tatsächlich ist für Drängler die Wahrscheinlichkeit sehr gering, auch zur Kasse gebeten zu werden. In Zahlen: 55800 Mal wurden Abstandssünder im Vorjahr von der Polizei erwischt, vor allem auf Autobahnen. Im Vergleich dazu die Zahl der aufgefallenen Temposünder im selben Jahr: 1,55 Millionen.

Wolfgang Beus, Sprecher des zuständigen Innenministeriums, hält die Kontrollen trotzdem für ausreichend. Der Grund dafür, dass nicht mehr kontrolliert werde, sei der hohe technische Aufwand. Denn anders als bei Geschwindigkeit sind bei Abstand nur bewegte Bilder beweiskräftig.