U-Bahn-Bauarbeiten Einsturz des Kölner Stadtarchivs — Prozess nach neun Jahren
Bei dem Einsturz des Kölner Stadtarchivs starben im März 2009 zwei Menschen. Fünf Angeklagte sollen Fehler bei U-Bahn-Bauarbeiten gemacht haben.
Köln. 3. März 2009: Am frühen Nachmittag stürzen das siebenstöckige Kölner Stadtarchiv und zwei Nachbarhäuser in eine U-Bahn-Baustelle. Die Besucher und Mitarbeiter des Archivs können sich zwar noch in Sicherheit bringen. Zwei junge Männer in einem der ebenfalls betroffenen Nachbarhäuser sterben jedoch in den Trümmern. Das Archivgut wird schwer beschädigt.
17. Januar 2018. Am Mittwoch, fast neun Jahre später, beginnt der Strafprozess. Wie im parallel in Düsseldorf laufenden Strafprozess um die Loveparade-Katastrophe ist es ein Rennen gegen die Zeit: Gibt es bis März 2019, zehn Jahre nach dem Geschehen, kein erstinstanzliches Urteil, dann sind die Vorwürfe verjährt. Darum hat das Gericht sich und den Prozessbeteiligten ein straffes Programm verordnet: 126 Verhandlungstage sind angesetzt, an denen Zeugen und Sachverständige gehört werden.
Wie im Loveparade-Prozess werden die Verteidiger versucht sein, durch Verzögerungstaktik dafür zu sorgen, dass es innerhalb der Verjährungsfrist nicht zu einem Urteil kommt.
Angeklagt waren ursprünglich sieben Personen: zwei Bauarbeiter und fünf Mitarbeiter der beteiligten Baufirmen und der Kölner Verkehrsbetriebe, die mit Prüfungs- und Überwachungsaufgaben der U-Bahn-Bauarbeiten befasst waren. Tatsächlich vor Gericht verantworten müssen sich aber nur fünf Angeklagte. Einer der beiden Bauarbeiter ist lebensbedrohlich erkrankt, ein weiterer Angeklagter ist im vergangenen Jahr verstorben.
Den Angeklagten wird fahrlässige Tötung und Baugefährdung vorgeworfen. Höchststrafmaß: fünf Jahre. Wegen Baugefährdung wird bestraft, „wer bei der Planung, Leitung oder Ausführung eines Baues oder des Abbruchs eines Bauwerks gegen die allgemein anerkannten Regeln der Technik verstößt und dadurch Leib oder Leben eines anderen Menschen gefährdet“.
Laut Anklage, die sich auf ein Sachverständigengutachten stützt, wurde die Ursache für die 2009 eingetretene Katastrophe bereits im September 2005 gesetzt. Damals wurden im Rahmen der U-Bahn-Bauarbeiten die erforderlichen Schlitzwände betoniert. Diese Schutzwände haben die Funktion, Grundwasser aus der Baugrube herauszuhalten.
Im Rahmen dieser Arbeiten sollen die Bauarbeiter mit dem Greifbagger auf ein Hindernis gestoßen sein. Entgegen den technischen Regeln hätten sie jedoch keine Meldung an die Bauleitung gemacht und den Aushub eigenmächtig fortgesetzt. Unter dem Hindernis konnte sodann das Erdreich nicht ordnungsgemäß ausgehoben werden. Die so entstehende Lücke — die Ankläger sprechen von einer „Erdplombe“ — konnte nicht wie die übrigen Teile der Schutzwand mit Eisen und Beton ausgegossen werden.
Dreieinhalb Jahre später, so die Rekonstruktion der Geschehnisse, seien durch diese Schwachstelle in der Schlitzwandlamelle innerhalb kürzester Zeit große Mengen Bodenmaterial und Wasser von außen ins Innere der Baugrube gedrückt worden. Das wiederum habe die stützende Wirkung des Bodens unterhalb des Archiv und seiner Nachbarhäuser schwinden lassen — es kam zum Einsturz der Gebäude.
Die anderen Angeklagten, so der Vorwurf, hätten ihre Überwachungsaufgaben vernachlässigt. 2007 und 2008 hätten sie während des Aushubs der Baugrube noch Gelegenheit gehabt, die Schlitzwandfugen zu kontrollieren. Dabei wären ihnen Auffälligkeiten im Fugenverlauf, die auf das Vorhandensein der Fehlstelle hindeuteten, aufgefallen.
Die Verteidiger der Angeklagten werden im Prozess argumentieren, etwas anderes sei Ursache für die Katastrophe gewesen — ein „hydraulischer Grundbruch“. Das Wasser und das Erdreich wäre dann nicht durch ein Leck in der Schutzwand in die Baugrube eingedrungen. Vielmehr sei Grundwasser unter der Schlitzwand hindurch in die Baugrube gedrungen. Wäre es so, dann wären nicht die Bauausführer verantwortlich, sondern der Fehler läge möglicherweise bei der Bauplanung.