Es hat sich ausgeblubbert
In der Türkei hat die Wasserpfeife eine lange Tradition – ab Sonntag gilt aber in Kaffeehäusern ein strenges Rauchverbot.
Istanbul. Orientalische Musik. Männer sitzen um einen kleinen Tisch, der mit einem bunten Deckchen bedeckt ist. In regelmäßigen Abständen mischt sich unter die Musik ein Gluckern - immer wenn einer der Männer einen genüsslichen Zug aus der vor ihm stehenden Wasserpfeife nimmt. Dann lehnt er sich zufrieden zurück, legt den Kopf in den Nacken und bläst den weißen Rauch in die Luft. Eine alltägliche Szene aus einem der hunderttausenden Wasserpfeifen-Cafés in der Türkei. Und eine Szenerie, die ab Sonntag offiziell verboten ist, wenn in der Türkei das strenge Rauchverbot in Kraft tritt.
Für viele Türken wird das ihr Leben verändern. Für Alper Sey zum Beispiel. Seit mehr als 30 Jahren besucht der 56-jährige Fabrikarbeiter täglich ein Kaffeehaus im Istanbuler Stadtteil Kasimpasa. "Hier spielt sich das Leben ab. Hier diskutieren und streiten wir, hier erfährt man, was es Neues gibt. So ist das in der Türkei", sagt er. Ein weiterer Grund für seine täglichen Aufenthalte ist das Rauchen. Zu Hause darf er nicht, da seine Frau es nicht will. Wenn er ab Sonntag auch nicht mehr in seinem Stammlokal rauchen darf, will er nicht mehr dorthin gehen.
Viele Ausweichmöglichkeiten wird Alper Sey nicht haben. Denn das Rauchverbot ist umfangreich. In Teehäusern, Cafés, Bars, Restaurants und Nachtklubs sowie auf Spielplätzen ist das Rauchen verboten. Erlaubt ist es noch in Teegärten und Freiluftrestaurants, zumindest wenn es dort keinerlei Abdeckungen wie Zelte oder Sonnenschirme gibt. Auch das Fernsehen darf den Tabakkonsum nicht mehr zeigen. Einige Kanäle haben jetzt damit begonnen, Zigaretten mit einem schwarzen Balken zu überdecken.
"Das ist so, als würde man die Hintergrundmusik in einem Film verbieten", sagt der Besitzer von Seys Stamm-Kaffeehaus, Mehmet Çolak. Er fürchtet wie viele seiner Kollegen um seine Existenz. Der Chef des Kaffeehaus-Besitzervereins, Murat Agaogklu, prophezeit, dass den 250 000 Kaffeehäusern in der Türkei jeder zweite Kunde fernbleiben wird und beschwört das Ende "einer osmanischen Kultur".
Immerhin gilt die Türkei als Rauchernation. Vor allem das Rauchen der Nargile (Wasserpfeife) hat in dem Land eine lange Tradition. "Ganz früher durften nur die Menschen in den Palästen die Nargile rauchen. Dann wurde es auch dem Volk gestattet. Wieso sollten wir uns das wieder nehmen lassen?", fragt der 25-jährige Finanzmanager Furkan.
Der jahrhundertealten Tradition hat der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan den Kampf angesagt. Er ist ein überzeugter Nichtraucher, der sogar rauchende Provinz-Bürgermeister anrufen soll und sie zum Aufhören bewegen will. Sein Kampf ist nicht unbegründet, jährlich sterben 110 000 Türken an den Folgen des Tabakkonsums. Mit dem neuen Gesetz sollen auch Passivraucher geschützt werden. "Atemwegserkrankungen sind Todesursache Nummer eins für Kinder unter fünf Jahren - und die meisten sind auf Passivrauchen zurückzuführen", sagt Elif Dagli, Vorsitzende der nationalen Koalition Tabak und Gesundheit. Erdogans Kampf ist aber auch ehrgeizig: In der Türkei mit ihren 70 Millionen Einwohnern gibt es mehr als 20 Millionen Raucher. Allerdings scheint die Mehrheit der Bevölkerung für das Rauchverbot zu sein: Laut einer Umfrage begrüßten 90 Prozent der Türken das Gesetz.
Wer sich mit der neuen Regelung nicht anfreunden will, der sucht nach Wegen, sie zu umgehen. "Wir haben klare Instruktionen", sagt ein Angestellter der Kaffeehauskette "Café Nero": "Einfach ignorieren. Wir tun so, als ob nichts wäre, wenn unsere Kunden rauchen." Fraglich ist, ob sie damit durchkommen. Erdogan wies in einem Erlass die Behörden an, das Verbot strikt umzusetzen. Es drohen Geldstrafen von umgerechnet rund 30 Euro für Raucher und mehr als 2500 Euro für Betreiber von Lokalen.
Da ist der Plan von Ismail Özçelik erfolgversprechender. Er betreibt ein Café in einem der ältesten Wasserpfeifen-Gärten am Bosporus, das Çorlulu Ali Paa Medresi Kahvesi. Er will für sich nutzen, dass das Rauchen nur noch in Gefängnissen, Altenheimen, Anstalten für Geisteskranke sowie in einem zur Raucheretage erklärten Stockwerk in einem Hotel erlaubt ist. Ismail denkt darüber nach, Betten aufzustellen und sein Café zum Hotel zu erklären.