„Es muss wieder Blut fließen“

Ursula S. hatte starke Schmerzen in der Brust. Erst nach zwei Tagen ging sie zum Arzt – und hat Glück gehabt.

Düsseldorf. Ein wenig schüchtern blickt Ursula S. in die Augen der Ärzte, die an ihrem Bett stehen. "Ich wollte einfach keine Unannehmlichkeiten machen", sagt die 75-Jährige, als sie auf der kardiologischen Station der Uni-Klinik Düsseldorf liegt - und froh ist, dass sie noch lebt.

In der Nacht zu einem Samstag hatte Ursula S. Anzeichen für einen Herzinfarkt. "In meinem Brustkorb hat es gebrannt wie Feuer", sagt die Seniorin, die die Schmerzen allerdings für Folgen einer Blasenentzündung gehalten hat. "Das ist ganz typisch", erklärt Oberarzt Stephan Steiner. "Die Symptome werden oft verkannt und beispielsweise als Rücken- oder Magenschmerzen abgetan." Erst am nächsten Montag ging die 75-Jährige zum Arzt - weil sie nicht wollte, dass Menschen ihretwegen am Wochenende arbeiten müssen. "Und ich habe erstmal noch Ordnung in der Wohnung gemacht und gewaschen."

Vom Hausarzt aus wurde Ursula S. ins Benrather Krankenhaus geschickt und anschließend mit einem Notarzttransport in die Uni-Klinik gebracht. "Jede Minute zählt", sagt der Oberarzt. "Denn jeder Infarkt ist gefährlich." Auch wenn die Zahl der Todesfälle sinkt, so ist der Herzinfarkt immer noch die häufigste Todesursache in Deutschland. "50 Prozent sterben, bevor sie in die Klinik kommen", sagt Steiner.

Ursula S. hatte Glück. Sie wurde sofort untersucht. Die Diagnose: Ein Blutgefäß war durch ein Blutgerinsel komplett verstopft. In dem anschließenden Eingriff wurde ein Herzkatheter (ein dünner, biegsamer Kunststoffschlauch), an dessen Spitze sich ein Ballon befindet, zur Engstelle des Herzkranzgefäßes geführt. Unter hohem Druck wurde der Ballon aufgeblasen und so das verschlossene Gefäß wieder eröffnet. Oft wird zusätzlich eine Gefäßstütze (Stent) implantiert, damit das Gefäß offen bleibt.

"Es muss wieder Blut fließen - und zwar so schnell wie möglich", sagt Professor Bodo-Eckehard Strauer, Direktor der Klinik für Kardiologie, Pneumologie und Angiologie an der Uni-Klinik. Je schneller die Durchblutung wiederhergestellt ist, desto weniger Herzmuskelgewebe stirbt und desto weniger Komplikationen treten auf. "Angst hatte ich schon, aber keine Schmerzen", sagt Ursula S., die sich den Verlauf ihres Eingriffs auf einem Bildschirm interessiert angeschaut hat. Für den Universitäts-Professor und sein Team sind solche Eingriffe Routine. 6000 Untersuchungen, davon 2800 Ballon- und Stenteingriffe machen sie im Jahr. Etwa jeder dritte Eingriff wird bei Notfallpatienten durchgeführt.

Ehe Ursula S. wieder nach Hause durfte, musste sie noch ein paar Tage in der Klinik überwacht werden. In einigen Wochen muss sie aber schon wiederkommen. "Dann wird eine zweite Engstelle eröffnet", sagt Stephan Steiner. Dass gleich zwei Eingriffe bei ihr nötig sind, kann sich die 75-Jährige nicht erklären; schließlich hat sie noch nie Probleme mit ihrem Herzen gehabt. Sie war nie ernsthaft krank und geht jeden Tag spazieren. Allerdings hat sie 30 Jahre lang geraucht. Auch wenn sie seit 18 Jahren keine Zigarette mehr angefasst hat, sagt Professor Strauer: "Das Herz merkt sich das."