Felix Meyer: Straßenmusiker auf dem Sprung
Berlin (dpa) - „Ich möcht' zurück auf die Straße“, sang Marius Müller-Westernhagen vor vielen Jahren - und startete gleichwohl eine gigantische Stadionkarriere. Felix Meyer kommt tatsächlich von der Straße.
Dort macht er seit 15 Jahren Musik, der Lohn sind Münzen und Geldscheine im Gitarrenkoffer.
Jetzt, mit Album Nummer zwei im Gepäck, steht der 36-Jährige an einer Weggabelung: Soll er weiter deutsche Fußgängerzonen und europäische Strandpromenaden bespielen - oder lieber gemütliche Clubs und mittelgroße Hallen?
„Straßenmusik schlaucht, gerade wenn der Sommer einmal nicht so doll ist, wenn man dauernd im Nieselregen auftritt“, räumt Felix Meyer im Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa ein. Andererseits macht es ihm nach wie vor viel Spaß, ohne Mikro und mit einer kleinen Band aus lauter guten Freunden im Rücken da draußen eigene Lieder und Coverversionen zu singen. „Ich werde das in Zukunft eher ein bisschen lustbetont angehen“, hat sich Meyer vorgenommen. Und überhaupt: erstmal sehen, wie es mit der Plattenkarriere läuft. „Je steiler man aufsteigt, desto größer ist die Fallhöhe“, sagt der Wahl-Hamburger nüchtern.
Das neue Album „Erste Liebe/Letzter Tanz“ (105 Music/Sony) ist sicher kein Anlass für skeptische Prognosen. Es begeistert - wie schon das Indie-Label-Debüt „Von Engeln und Schweinen“ (2010) - mit klugen, bissig-humorvollen Texten und einer Musik, der man die Weltenbummelei aufs Schönste anhört. Americana-Gitarren und Banjo treffen auf Klimper-Klavier, Trompete und Akkordeon. Zwischen Rumpel-Folk, Balkanpop, Reggae, Musette-Walzer und Streicherballade ist alles erlaubt. Meyers so herber wie eindrucksvoller Bariton rundet die kunterbunte Mixtur ab.
Seine Plattenfirma vergleicht ihn mit Tom Waits und Jacques Brel, von den deutschsprachigen Kollegen lassen Element Of Crime, Niels Frevert oder Gisbert zu Knyphausen grüßen. „Musik für Erwachsene“ habe er zusammen mit dem Top-Produzenten Franz Plasa (Selig, Keimzeit) im Sinn gehabt. Dazu gehört für den studierten Dokumentarfotografen, sein Publikum nicht mit abgedroschenen Texten zu langweilen.
„Ich benutze gern Klischees und Redewendungen, versuche sie dann aber zu verfremden und zu brechen“, sagt Meyer über sein Songwriting. Beispiel gefällig? „Ich mag es, wie Sprechblasen platzen/wenn sie vor uns auf das Pflaster klatschen/denn Sprechblasen machen so gut wie keinen Rabatz/sie machen nur ganz leise: Platz“, singt er im üppig arrangierten Sixties-Popsong „Aus blauem Himmel“. Liebeslieder hat er auch im Programm, aber eben bei weitem nicht nur. „Es geht in der Popmusik doch erschreckend oft um Liebe“, sagt Meyer. „Wenn man über Gesellschaft oder ansatzweise Politik singt, ist man gleich ein Liedermacher.“
In irgendwelche Schubladen will sich Felix Meyer auch künftig nicht stecken lassen, ein Kunstprodukt oder Karrierist will er nicht sein. Deshalb fühlen er und seine Band sich weiterhin sehr wohl mit dem Image der charmant-strubbeligen Straßenmusiker. „Wir haben nun mal diese Geschichte, wir sind durch die Welt gereist und haben auf Straßen gespielt - das ist keine Inszenierung.“
Sein Open-Air-Publikum sei so vielfältig wie das Leben - „von Kulturbeflissenen bis zu Skatern, von türkischen Familien bis zu Bauarbeitern“, sagt Meyer. „Das war richtige Basisarbeit.“ Nun hofft er, dass ähnlich unterschiedliche Menschen demnächst auch seine erste größere Club-Tournee besuchen. „Total gespannt“ sei er auf diese neue Situation, sagt der sympathische Musiker. Und doch dürfe man weiterhin damit rechnen, Felix Meyer und seinen Liedern plötzlich auf einer deutschen Einkaufsmeile zu begegnen.