Filmfestival: Ang Lee triumphiert am Lido

Der Goldene Löwe von Venedig geht erneut an den Regisseur aus Taiwan. Cate Blanchett und Brad Pitt überzeugten als Darsteller die Jury.

Venedig. Mit ihm hat wohl keiner gerechnet. Ang Lees neuer Film "Lust, Caution" gewinnt überraschend den Goldenen Löwen von Venedig. Damit wiederholt der taiwanesische Regisseur den Erfolg von vor zwei Jahren: Damals konnte er die Trophäe für sein überragendes Cowboy-Liebesdrama "Brokeback Mountain" entgegennehmen, das anschließend einen unvergleichlichen Durchmarsch begann, der ihm so ziemlich jeden Filmpreis bis hin zum Oscar bescherte. "Lust, Caution" wird es wohl soweit nicht bringen. Das etwas sperrige Werk, eine Art Erotik-Spionage-Thriller, sorgte zu Beginn des Festivals wegen seiner drastischen Sexszenen für einige Diskussionen, war dann aber schnell wieder vergessen.

Ang Lee erzählt darin von einer jungen Chinesin, die im Jahr 1942, zur Zeit der japanischen Besatzung Chinas, einen Japaner ausspionieren soll und dabei sexuell gedemütigt wird. Ob "Lust, Caution" auch deshalb triumphiert, weil der chinesische Regisseur Zhang Yimou der diesjährigen Jury vorsteht, lässt sich nur spekulieren. Schon am 18. Oktober soll der Film in den deutschen Kinos starten.

Während der Hauptpreis also für einige Überraschung sorgte, waren die anderen Gewinner vorhersehbar. Brian de Palmas "Redacted" über den Irak-Krieg wurde von Anfang an als Favorit unter den Kritikern gehandelt. Beim Publikum stieß der radikal geschnittene Film eher auf geteilte Meinung - zumindest wenn man dem täglichen Umfragespiegel in der Festivalzeitung glauben darf.

Darin ließ sich schon früh ein anderer Favorit erkennen: "La Graine et le mulet", der Festivalbeitrag des französisch-tunesischen Regisseurs Abdellatif Kechiche. Das anrührende Porträt einer Einwandererfamilie in Frankreich teilt sich den Spezialpreis der Jury mit Todd Haynes radikalem Dylan-Mosaik "I’m not there". Auch wenn der Film auf ein geteiltes Echo bei Kritik und Publikum stieß, ist es schön, dass experimentelle Filmkunst am Lido noch gewürdigt wird.

Und das gleich in zweifacher Hinsicht. Denn auch Cate Blanchett wird als beste Darstellerin ausgezeichnet. Absolut verdient. Ihre Charakterzeichnung von Bob Dylan - eine von sechs, denn der Film splittet die Figur in unterschiedliche Charaktere auf - beeindruckt zutiefst: Jenseits der verblüffenden optischen Verwandlung in der Männerrolle lässt sie das Bild eines getrieben-zerstörerischen Genies entstehen, das die Musik seiner Zeit revolutionierte. Eine Oscar-verdächtige Leistung.

Goldener Ehrenlöwe für das Lebenswerk: Bernardo Bertolucci

Silberner Löwe für die beste Regie: "Redacted" von Brian De Palma

Spezialpreis der Jury: "Le Grain et le Mulet" von Abdellatif Kechiche und "I’m Not There" von Todd Haynes

Speziallöwe für das Gesamtwerk: Nikita Mikhalkov

"Coppa Volpi" für den besten Schauspieler: Brad Pitt in "The Assassination of Jesse James by the Coward Robert Ford" von Andrew Dominik

"Coppa Volpi" für die beste Schauspielerin: Cate Blanchett in "I’m Not There" von Todd Haynes