Französische Brustimplantate: Der überführte Verführer
Er begann als harmloser Vertreter und versetzt nun Tausende Frauen in Angst: Der Franzose Jean-Claude Mas.
Paris. Sie träumten von einer schönen Figur und legten sich für die Brust-OP gutgläubig unters Messer. Nun erleben sie einen Albtraum. Hunderttausende Frauen quält der Gedanke, tickende Zeitbomben im Körper zu tragen: undichte Brustimplantate, aus denen womöglich krebserregendes Gel austritt. Ihre Wut richtet sich besonders gegen einen Mann: den Franzosen Jean-Claude Mas (72), den zwielichtigen Gründer der Firma „Poly Implante Prothèse“ („PIP“), die über 500 000 Silikonkissen in die ganze Welt verkauft hat.
Es war die Rolle, in der sich Jean-Claude Mas stets am besten gefiel: In der des genialen Tüftlers und Geschäftsmannes, der Frauen zu schönen Rundungen verhilft und sich selbst zu einem beeindruckenden Millionenvermögen. Nun, da immer mehr schmutzige Details seines Geschäftsgebarens in die Öffentlichkeit dringen, entsteht ein anderes Bild. Jean-Claude Mas, der Trickser und Betrüger, der Schurke und Scharlatan, angetrieben von unersättlicher Geldgier und beseelt von beängstigender Skrupellosigkeit.
Ehemals leitende PIP-Mitarbeiter berichten auch der Illustrierten „Paris Match“, dass ihr Boss Alkoholiker war.
Wer ist Jean-Claude Mas? Stationen einer Karriere: Aufgewachsen in Tarbes am Fuße der Pyrenäen, sucht er nach dem Militärdienst in Algerien sein Glück in Paris. Hält sich mit allen möglichen Gelegenheitsjobs über Wasser, um nach einem Jahr wieder in seine Heimat zurückzukehren. Zwischen Pau und Toulouse rennt er von Tür zu Tür, verscherbelt Versicherungspolicen — und erkennt sein Verkaufstalent. Egal, ob es sich um Medikamente, Cognac, Wein oder Reinigungsgeräte für Zahnarztpraxen handelt.
Dass dem Raffgierigen das eigene Portemonnaie stets wichtiger war als die Gesundheit der Frauen, bringen die Polizeiverhöre mit Mas und seinen Ex-Mitarbeitern zutage. Die Tricksereien fingen 1993 an, der systematische Betrug mit billigerem Industriesilikon lässt sich auf das Jahr 2001 datieren. Dieses kostete nur fünf Euro pro Liter, während das vorgeschriebene US-Gel sieben Mal teurer war.
Ehe der Schwindel auffliegt, hat Jean-Claude Mas fast eine halbe Million minderwertige Silikonkissen in die ganze Welt verkauft. Schon vor fünf Jahren schlagen die ersten Schönheitschirurgen Alarm. Allein in Frankreich sind über 1600 kaputte Kissen entfernt worden. Fast 500 davon verursachten schmerzhafte Entzündungen. Experten schätzen, dass nur 60 Prozent der Kissen nicht gerissen sind. Weil der Verdacht besteht, dass die Silikonkissen Krebs verursachen, müssen auf Veranlassung der Regierung allein 30 000 Französinnen die PIP-Kissen wieder herausoperiert werden.
Jean-Claude Mas lässt die Vorwürfe kühl an sich abprallen. „Ich habe nie bestritten, dass das Gel nicht zugelassen war“, sagte er und streitet ab, dass das Silikon gesundheitsgefährdend ist. Jean-Claude Mas, der Größenwahnsinnige, bleibt sich weiter treu: „Mein Gel war einfach besser, als das der anderen.“