Ganz nah am Wasser gebaut - Stararchitekt Norman Foster will in Duisburg bauen

Architekt Foster hat einen kühnen Plan: Er will Duisburgs Innenstadt neu erfinden.

<strong>Duisburg. Im Foyer des Duisburger Rathauses wartet die Zukunft unter Plexiglas. Ganz so, als drohe sich die Vision ohne Deckel zu verflüchtigen. Passanten blicken ungläubig auf das ausgestellte Modell ihrer Stadt, und einer witzelt: "Das sieht aus wie eine Mischung aus Legoland und Albert Speers Germania." Tatsächlich mutet der "Masterplan" des britischen Star-Architekten Sir Norman Foster so genial wie vermessen an: Der Schöpfer der Berliner Reichstagskuppel hat die Duisburger City auf dem Reißbrett neu erfunden.

Im Zentrum eines Ballungsraums mit 10 Millionen Einwohnern

In den kommenden drei Jahrzehnten soll sich aus der Tristesse der ausgebrannten Industriemetropole das neue Duisburg erheben: ein blühender Lebensraum, der Kaufkraft aus der gesamten Rhein-Ruhr-Region mit ihren zehn Millionen Menschen anzieht. Ein Anfang ist bereits gemacht: Am Samstag wurde das City-Palais mit Mercatorhalle, Casino und Einkaufspassage eröffnet. Von der "Stadt der wachsenden Gärten und grünen Wege" ist die Rede, davon, "Duisburg am Wasser" als Marke zu etablieren. Oberbürgermeister Adolf Sauerland wirkt euphorisiert angesichts der Foster-Pläne. Von einer "großen stadtplanerischen Herausforderungen" spricht der CDU-Politiker, von einer dynamischen Wirtschaftsachse Köln- Düsseldorf-Duisburg. Eine erste Arbeitsprobe hatte Foster schon zu Beginn der 90er Jahre erfolgreich abgeliefert. Der triste Innenhafen in Horst-Schminanski-Optik verwandelte sich unter seiner Regie zum Yuppie-Stadtteil mit gläsernen Lofts, einem Yachthafen, Bars und Restaurants. Doch die Glitzermeile endet unvermittelt nach wenigen hundert Metern in der tristen Realität einer Kommune, der die Menschen abhanden kommen. Leere Ladenlokale, Billigshops und Spielbuden, viel zu breite Asphaltschneisen und Brachen: Das Gesicht Duisburg ist übersät mit Narben eines Jahrhunderts, das sich wie ein Ungeheuer über die Stadt gewälzt hat. Als plastischer Chirurg der Stadtplanung will Foster die City nun auf den OP-Tisch legen, die Verkehrsadern sollen radikal verkleinert, Parkplätze in den Untergrund verbannt werden. Vor allem aber will er die Stadt ans Wasser holen - und das Wasser in die Stadt. Schließlich ist die Wasserfront Duisburgs 114 Kilometer lang, das ist einzigartig in Deutschland. City und Hafen vereinen sich nach den Vorstellungen Fosters zu einer urbanen Wasserlandschaft: Am alten Rheinarm entstehen Flaniermeilen und Wochenmärkte, Kanäle beleben die Einkaufsmeilen, alte Brachen lösen sich in Parkanlagen auf, verkehrsreiche Kreuzungen verwandeln sich in belebte Plätze. Und das alles soll wieder Lust aufs Wohnen in der Stadt machen.

Duisburg hofft auf private Investoren für das gigantische Projekt

Am Ende der 30-jährigen Metamorphose werde die Einwohnerzahl der City um ein Viertel höher sein als heute, sagt er voraus. Kritiker stellen angesichts der desolaten Haushaltslage allerdings die Frage: Wer soll das bezahlen? Oberbürgermeister Sauerland hofft, dass sich private Investoren finden. Fosters Masterplan sei lediglich ein "Ideenrahmen", den es zu füllen gelte. Der 71-jährige Architekt selbst: "Man muss manchmal echter Optimist sein, wenn man nicht aufgeben will, bevor man überhaupt angefangen hat." Flucht nach vorn
Kommentar von Christoph Lumme
In der Dortmunder Innenstadt soll ein See entstehen, der größer als die Hamburger Binnenalster ist. Essen stampft am Rande der City einen kompletten Stadtteil aus dem Boden. Und Duisburg will das Wasser zum urbanen Prinzip erheben. Das Revier plant in Dimensionen, über die andere strukturschwache Kommunen wie Krefeld und Wuppertal nicht einmal zu träumen wagen. Ist das Ruhrgebiet größenwahnsinnig geworden? Richtig ist: Schon häufiger sind an der Ruhr unbezahlbare Pläne in der Schublade verschwunden. Richtig ist auch: Sollten etwa in den Wohnvierteln des Duisburger Zentrums künftig wieder mehr Menschen leben, wie Norman Foster vorhersagt, müssten gleichzeitig ganze Vororte an der Peripherie abgerissen werden, weil die Gesamtbevölkerung der Stadt rapide schrumpft.

Dennoch sollte niemand das Revier unterschätzen. Es war immer wieder dazu gezwungen, radikal mit eigenen Traditionen zu brechen. Und geht auch jetzt daran, sich neu zu erfinden.

Noch gilt das Revier als Auslaufmodell, schon bald könnte es Vorbild für andere Regionen sein. Der Mut und die Visionen sind schon da.