#MeToo, ich auch: Die Sexismus-Debatte zieht Kreise bis nach Deutschland

Übergriffe bis hin zur Vergewaltigung: Fälle aus dem fernen Hollywood ziehen längst Kreise bis nach Deutschland. Hört man sich in der deutschen Filmbranche um, stößt man aber vor allem auf Zurückhaltung.

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Berlin. Der Skandal um Hollywoodproduzent Harvey Weinstein hat seit dieser Woche ein Hashtag, ein Schlagwort im Internet. Unter „#MeToo“ („Ich auch“) kann man lesen, welche Erfahrungen Frauen mit Chauvinismus, Sexismus und Übergriffen gemacht haben.

Die deutsche Marie Nasemann, Model und Schauspielerin, wurde auch schon sexuell belästigt. Sie bekannte kürzlich auf Instagram: #MeToo.

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Das mag entfernt erinnert an an die deutsche Internetaktion „#Aufschrei“ erinnern, die 2013 nach den Sexismus-Vorwürfen gegen den FDP-Politiker Rainer Brüderle vor allem ein Medienecho auslöste. „Eigentlich finde ich #MeToo stark, weil es anders ist als vergleichbare Aktionen in der Vergangenheit: #aufschrei war — abgesehen von seinem schwierigen Anlass, der Brüderle-Entgleisung — ein explizit aktivistischer Hashtag“, schrieb Hannah Lühmann am Donnerstag bei Welt-online, #MeToo funktioniere erst einmal über „die Logik der Bestandsaufnahme“.

In Hollywood betrifft die Bestandsaufnahme zunächst vor allem Harvey Weinstein, dem reihenweise Schauspielerinnen schwerste Belästigungen und Übergriffe bis hin zur Vergewaltigung vorwerfen, was er bestreitet. Der Fall wirft Fragen auf. Etwa Fragen dazu, wie es in der deutschen Filmbranche aussieht. Werden sich auch Schauspielerinnen hierzulande trauen und erzählen, wenn sie bedrängt oder attackiert wurden? Oder werden sie es lassen, aus Sorge um die Karriere oder weil sie nicht als Wichtigtuerinnen angegriffen werden wollen? Ist die sogenannte Besetzungscouch hierzulande ein Klischee? Nein, sagt eine Schauspielerin unter der Hand. So habe sie mitbekommen, dass ein Regisseur Drehtage danach vergebe, ob ihn die Frau sexuell befriedige.

Hört man sich in der deutschen Filmbranche um, stößt man vor allem auf Zurückhaltung. Die besonders einflussreichen und bekannten Frauen sagen auf Anfrage nichts. Ein Thema in der Branche ist Weinstein aber auf jeden Fall. Eine Filmemacherin erzählt, dass sie sich schon mit einer Kollegin ausgetauscht hat: „Wir haben festgestellt, dass wir niemanden kennen, dem im Job noch nicht mindestens Anzüglichkeiten, Busen- oder Hinterngegrabsche passiert sind - inklusive mir.“

Die Aktion „#MeToo“ wurde von der US-Schauspielerin Alyssa Milano gestartet und wird von vielen Frauen in aller Welt aufgegriffen. Milano wollte deutlich machen, dass es sich nicht um Einzelfälle handelt. „Wenn alle Frauen, die sexuell belästigt oder genötigt wurden, ,Me too’ als Status schreiben, könnten wir den Menschen dasAusmaß des Problems bewusst machen“, erklärte sie.

Marie Nasemann, Model und Schauspielerin, fasste sich bei Instagram ein Herz: „Unangenehmes Thema, aber #MeToo. Ich war auf dem Oktoberfest, und der Typ griff mir im überfüllten Gang von hinten unters Dirndl zwischen meine Beine. Ich habe mich umgedreht und ihm eine Ohrfeige gegeben und ihn angebrüllt.“ Dass viele betroffen sind, machte auch Schauspielerin Jasmin Tabatabai bei Twitter unter „MeToo“ deutlich: „Ich kenne keine Frau, bei der das nicht der Fall ist.“

Die Schauspielerin Maren Kroymann nennt die Aktion „großartig“ und lobt den Mut der Frauen, die Weinsteins Verhalten öffentlich gemacht haben. In ihrer Karriere hat die 68-Jährige, die als Feministin bekannt ist, nach eigenen Worten zwar keine körperlichen Übergriffe erlebt, aber Chauvinismus und Sexismus. So hörte sie Sätze von Regisseuren wie „Steh’ mal auf, wir wollen deinen Arsch sehen“. Sie habe auch mitbekommen, wie Frauen am Theater sadistisch erniedrigt worden seien.

Kroymanns Rat an die Frauen: „Habt den Mut zu sagen, ich lasse es mir nicht gefallen.“ Besonders wichtig findet sie, dass sich auch Männer von sexistischen Übergriffen distanzieren. „Man muss als Mann nicht eine Tochter haben, um das zu verurteilen.“

Das Schweigen der Männer beklagt im „bildblog“, einem Medien-kritischen Onlinemagazin auch Johannes Kram: „Gerade weil Frauen die Opfer des Missstandes sind, müsste die journalistische Debatte doch so laufen, dass es nicht zum Frauen-Thema gemacht wird, dass es nicht vor allem Frauen sind, die hier Veränderungen fordern. Wenn es vor allem Frauen sind, die diese Debatte führen müssen, bleibt der Eindruck der Befindlichkeit.“

Zu den Ausnahmen gehört Alan Posener, der vor drei Tagen in der „Welt“ schrieb: „Machen wir uns nichts vor. Es geht um männliche Macht und weibliche Unterordnung.“ Deshalb müss der Fall Weinstein politische Konsequenzen haben: „Sonst hat er keine.“