Analyse Reformationsjubiläum soll die Konfessionen versöhnen
Mit dem Papier „Erinnerung heilen - Jesus Christus bezeugen“ nähern sich Katholiken und Protestanten eindrucksvoll an.
München. „Wir danken Gott, dass es Sie gibt und dass Sie den Namen Jesu Christi tragen.“ Das werden sich Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm, Ratsvorsitzender der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), und Kardinal Reinhard Marx, Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz, am 11. März 2017 beim zentralen Buß- und Versöhnungsgottesdienst in Hildesheim gegenseitig versichern.
Zumindest sieht das der Liturgieentwurf vor, der in ihrem zum Reformationsjubiläum vorgelegten gemeinsamen Wort „Erinnerung heilen — Jesus Christus bezeugen“ enthalten ist. Und lässt man den Tonfall dieses 90 Seiten starken Papiers auf sich wirken, bekommt man eine Ahnung davon, warum Marx dessen Veröffentlichung als „ein fast revolutionäres Ereignis“ bezeichnet.
Es ist noch nicht lange her, dass zwischen evangelischer und katholischer Kirche andere Töne vorherrschten. 2007 bekräftigte der deutsche Papst Benedikt seine schon ältere Einschätzung, bei den Protestanten und anderen nichtkatholischen Konfessionen handele es sich nicht um „Kirchen im eigentlichen Sinne“, sondern nur um kirchliche Gemeinschaften.
Der damalige EKD-Ratsvorsitzende Wolfgang Huber hielt der Kränkung eine „Ökumene der Profile“ entgegen und die evangelische Kirche kürte sich in seiner Amtszeit zur „Kirche der Freiheit“ — als sei die Unfreiheit auf katholischer Seite beheimatet.
Von solchen vergifteten Positionierungen sind der Huber-Schüler Bedford-Strohm und der Franziskus-Vertraute Marx weit entfernt. Der eine ist in München lutherischer Landesbischof, der andere Erzbischof. Die kirchlichen Nachbarn kennen sich gut und schätzen sich — was einmal mehr beweist, dass geschichtsträchtige Entwicklungen auch von persönlichen Sympathien befördert werden können.
Denn dass die beiden Konfessionen die Reformation als Ausgangspunkt ihrer Trennung erstmals in 500 Jahren gemeinsam feiern wollen, ist durchaus geschichtsträchtig — zumal es nicht bei symbolischen Einladungen bleiben soll. Mit dem Papier ist eine „Heilung der Erinnerung“ beabsichtigt. Als Vorbilder dienen die oft kirchlich begleiteten Versöhnungsprozesse in Südafrika, Irland oder Serbien. Man habe gelernt, so Bedford-Strohm, „dass wir die Erinnerung an die Reformation nicht durch Abgrenzung und Ausschluss anderer Haltungen stark machen müssen“.
Vielleicht auch deshalb ist das gemeinsame Gedenken als Christusfest tituliert — und eben nicht als Lutherfest. Nicht nur dessen antisemitische Hetzschriften haben die protestantische Heldenverehrung vielerorts gedämpft, während umgekehrt die katholische Theologie freimütig erklären kann, „von welchen Impulsen der Reformation sie profitiert“, wie es in dem Papier heißt.
Behutsam und doch klar benennt es die gegenseitigen Verletzungen in der Geschichte und ihre zum Teil blutigen Folgen. Ziel ist eine größere ökumenische Verständigung. Auch die bestehenden Differenzen im Amtsverständnis und bei der aus katholischer Sicht noch nicht möglichen Eucharistiegemeinschaft sollen nicht ausgeklammert werden.
Dabei geht es für Bedford-Strohm nicht um eine neue Einheitskirche, sondern um „versöhnte Verschiedenheit“. „Bitte keine Uniformität der Christen“, bekräftigt auch Marx. Aber der angestoßene Prozess könnte die beiden Kirchen wieder stärker legitimieren, dort versöhnend zu wirken, wo es dringend erforderlich ist: in der Gesellschaft.