Suchthilfeverband kritisiert Tele-5-Trinktalk

Berlin (dpa) - Mit seiner neuen Talkshow „Der Klügere kippt nach“ hat sich der Privatsender Tele 5 Kritik vom Suchthilfeverband Blaues Kreuz eingehandelt. „Es ist einfach eine völlig überflüssige Sendung“, sagte Geschäftsführer Jürgen Naundorff in einem Interview der Deutschen Presse-Agentur.

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„Ich bin mir ziemlich sicher, dass sie keine Zukunft hat. Dennoch werden diese Ausstrahlungen negative Folgen haben, weil allein schon der Titel höchst problematisch ist.“ Tele 5 hatte angekündigt, dass die Gäste bei dem neuen Spättalk mit Gastgeber Hugo Egon Balder (Premiere: 6. April) kräftig bechern dürfen.

Frage: Wie beurteilen Sie solche TV-Experimente?

Antwort: Es ist doch offensichtlich, dass der Sender durch diese Livesendung zuallererst Aufmerksamkeit erzielen möchte. Aber es geht um mehr. Hugo Egon Balder wirbt damit, dass bei ihm die Gäste Alkohol trinken dürften und in dieser Atmosphäre „Wahrheiten“ ans Licht kommen könnten. Das ist lächerlich! Vielmehr geht es darum, dass sich die Gäste im (stark) angetrunkenen Zustand verbal entblößen und das kann einen Zuschauerkreis anlocken, der Freude an solchen Verbalentgleisungen hat. Der bedeutungslose Sender taucht in den Medien auf, wenn am nächsten Tag solche Entgleisungen auf den Titelseiten der Boulevardpresse erscheinen. Ein leicht durchschaubares Konzept!

Frage: Gehört dies zum nötigen Alltagsumgang oder ist das ein schlechtes Vorbild?

Antwort: Es ist einfach eine völlig überflüssige Sendung. Hugo Egon Balder hat - da gebe ich ihm ausnahmsweise recht - gesagt, es sei kein Sendeformat. Wirklich nicht! Und ich bin mir ziemlich sicher, dass sie keine Zukunft hat. Dennoch werden diese Ausstrahlungen negative Folgen haben, weil allein schon der Titel höchst problematisch ist.

Frage: Was sind die Gefahren?

Antwort: Da bleibe ich beim Titel. „Der Klügere kippt nach“. Das impliziert: Wer Alkohol trinkt - und das nicht zu wenig - verhält sich klug. In meiner 25-jährigen Tätigkeit als Referent in der Suchthilfe habe ich mich mit unzähligen suchtkranken Menschen unterhalten. Sie berichteten, wie sie sich gerade in jungen Jahren in unserer trinkfreudigen Gesellschaft zum regelmäßigen und übermäßigen Alkoholkonsum animieren ließen. Nach wie vor wird in populären Filmen gesoffen, was das Zeug hält. Das steht konträr zu allen Bemühungen des Bundesgesundheitsministeriums und aller Organisationen, die sich unter dem Dach der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen um einen verantwortungsvollen Umgang mit Mitteln einsetzen, die Suchtpotenzial haben.

Frage: Drohen Rückschritte, nachdem Zigaretten und Alkohol aus dem TV schon weitgehend verdrängt waren?

Antwort: Alkohol ist nicht aus dem TV verdrängt. Ich verweise nur auf die unzähligen Alkoholwerbungen, die nach wie vor zur besten Sendezeit ausgestrahlt werden. Wir brauchen einen breiten gesellschaftlichen Konsens für einen verantwortungsvollen Umgang mit Alkohol. Beim Umgang mit Zigaretten ist dies schon besser gelungen. Wir brauchen Vorbilder, die jungen Menschen vorleben, dass die Post im Leben abgeht - ohne dass man sich zuvor antrinken muss.

Frage: Ist die Lust am Tabubruch nicht auch als Kunst hinzunehmen?

Antwort: Das Wort Kunst mit dieser Sendung zu verbinden, ist mir zuwider. Ich wünsche mir im deutschen Fernsehen mehr Sendungen, die unterhalten, Spaß machen und zugleich etwas zu sagen haben. Einfach gutes Fernsehen. Positive, ermutigende Beispiele gibt es. Wobei hier immer auch persönliche Vorlieben eine Rolle spielen und die Geschmäcker bekanntlich verschieden sind. Wer Spaß und Unterhaltung mit riskantem Alkoholkonsum verbindet, sendet die verkehrten Botschaften. Wir erleben in unseren 1100 Sucht-Selbsthilfegruppen im Blauen Kreuz in Deutschland immer wieder, wie Menschen ausgelassen und fröhlich zusammen sind. Da kommen tatsächlich Wahrheiten ans Licht - und dafür braucht es keinen Alkohol.

ZUR PERSON: Jürgen Naundorff, Jahrgang 1962, stammt aus Stollberg im Erzgebirge. Er ist seit Januar 2014 neuer Bundessekretär des Blauen Kreuzes in Deutschland. Naundorff absolvierte eine fünfjährige Bibelschulausbildung am Gnadauer Theologischen Seminar Falkenberg (GTSF) und ein berufsbegleitendes Studium zum Sozialpädagogen an der Evangelischen Hochschule Dresden. Er ist verheiratet und hat drei Kinder.