Studenten Uni-Bibliothek: Mit Parkscheiben gegen das Handtuch-Prinzip

Touristen streiten sich um Liegeplätze am Pool, Studenten um Arbeitsplätze in der Bibliothek. Nun hat sich die Ruhr-Uni Bochum bei anderen Hochschulen einen Trick für den Kampf gegen die Dauer-Belegung abgeschaut. Hat das System Erfolg?

Ein Mitarbeiter demonstriert in der Bibliothek der Ruhr-Universität in Bochumeine Parkscheibe an einem Computerarbeitsplatz.

Foto: Bernd Thissen

Bochum. Der Alptraum eines jeden Studenten: Auf allen Bibliothek-Tischen liegen Bücher und Habseligkeiten, aber an den Arbeitsplätzen sitzt niemand. Mittagspause? Kaffeeklatsch? Noch fünf Minuten oder zwei Stunden lang warten? Um das stundenlange Plätze-Blockieren zu stoppen, hat die Ruhr-Universität Bochum seit Jahresbeginn grüne Parkscheiben auf jedem Platz in der Bibliothek ausgelegt. Jetzt dürfen Studenten einen blockierten Platz nach 30, manchmal 60 Minuten freiräumen und selbst belegen.

Damit reagiert die Uni auf ein ernstes Problem: Denn in der Bibliothek ist Ärger vorprogrammiert, wenn zu den Stoßzeiten etwa 4000 Studenten am Tag versuchen, einen der 1117 Leseplätze zu ergattern. Und gerade in den Prüfungsphasen gegen Ende des Semesters ist die Bibliothek komplett ausgelastet. „Wir hatten in der vergangenen Prüfungsphase im Juli einige Auseinandersetzungen“, sagt Beate Ramisch, die Leiterin der Benutzungsabteilung der Bibliothek.

Schon damals galt die Regelung, dass eine Pause nicht länger als 30 Minuten dauern sollte. Daran hielten sich längst nicht alle. „Plätze wurden freigeräumt, der aus der Pause Zurückkehrende war sauer, weil er angeblich nur kurz weg war“, berichtet Ramisch.

Die Parkscheiben sollen jetzt Klarheit schaffen. Zwischen 12 und 14 Uhr dürfen die Studenten eine Stunde lang wegbleiben, ansonsten 30 Minuten. Danach dürfen die Studenten alles, was sie auf den Plätzen finden, unter den Tisch oder in blaue Körbchen packen.

„Wir glauben, dass die Scheiben ein guter Beitrag für eine fairere Nutzung der knappen Ressource Arbeitsplätze sind“, so Nils Beese, Fachreferent der Bibliothek. „Das Handtuch-Prinzip wie am Pool möchten wir hier nicht. Belegte Plätze sollen genutzt werden.“

Die Universität Bochum hat die Parkscheiben in der Bibliothek nicht erfunden. Die Uni in Mannheim war 2007 eine der ersten, die dieses System für Pausenzeiten etablierten. Es folgten Freiburg, München, Bremen, Paderborn, Düsseldorf und weitere.

Auch ist die Universität Bochum nicht die einzige Uni, deren Bibliotheksräume nicht wachsen, die Zahl ihrer Studenten aber schon. Nordrhein-Westfalen konnte im Wintersemester 2015/2016 genau 745 009 eingeschriebene Studenten verzeichnen. Zehn Jahre zuvor waren es noch keine 500 000. Bundesweit stieg die Zahl der Studenten im Wintersemester 2015/2016 um 48 264 auf insgesamt 2,8 Millionen.

Die Hochschulrektorenkonferenz (HRK) sieht die Parkkarten aber nicht als Indikator dafür, dass es Platzprobleme an den Uni gibt. „Die Parkscheiben sind ein pragmatisches Instrument, um die Abläufe in den Bibliotheken zu optimieren. Sie allein sagen aber noch nichts über erreichte Kapazitätsgrenzen aus“, so eine HRK-Sprecherin.

Frank Scholze, Vorstandsmitglied im Deutschen Bibliotheksverband und Direktor der Bibliothek des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT), sieht das anders: „Wir haben an einem Großteil der Universitätsbibliotheken in Deutschland einen ganz massiven Platzmangel.“ Viele Gebäude seien zu klein. Der Aus- oder Neubau der Gebäude sei mit immensen Kosten verbunden, die die meisten Universitäten nicht einfach bereitstellen könnten.

In der Bochumer Uni-Bibliothek wird die Parkscheibe mit mäßiger Begeisterung angenommen. „Ich achte jetzt mehr auf die Zeit. Einfach weil ich Angst habe, dass jemand meinen Platz leer räumt“, sagt die 24-jährige Marketing-Studentin Kerstin Fischer. „Ich selber würde mich eher nicht trauen, fremde Sachen von einem Tisch zu nehmen.“

Allerdings schafft die Parkscheibe das Konfliktpotenzial nicht immer aus der Welt: Omar Bachari, 23 Jahre alt und Maschinenbau-Student wollte für einen Freund, der länger in der Pause war, gerne den Platz frei halten. Doch ein anderer Student ließ nicht mit sich diskutieren und räumte die Sachen weg. „Er durfte das, trotzdem hätte ich meinem Freund den Platz gerne frei gehalten.“