Götterdämmerung im Elysée
Das zur Staatsaffäre aufgeblasene Seitensprung-Gerücht offenbart: Im Maschinenraum der Macht geht’s drunter und drüber.
Paris. Nun ist es regierungsamtlich: Nicolas Sarkozy hat das seit Wochen kursierende Gerücht über angebliche Seitensprünge des französischen Präsidentenpaares ins Reich der Fabel verwiesen. "Dieses Geplapper ist für uns bedeutungslos", stellte der Präsident am Donnerstag im US-Sender CBS klar. Und fügte mit sanfter, fast schon zärtlicher Stimme hinzu: "Carla und ich führen ein sehr ruhiges Leben, wir sind einander sehr nahe."
Also Ende gut, alles gut? Schön wär’s. Denn das zur Staatsaffäre aufgeblasene Gerücht hat einen immensen Scherbenhaufen hinterlassen. Es herrscht Götterdämmerung im Präsidentenpalast Elysée, im Maschinenraum der Macht scheint’s drunter und drüber zu gehen.
Als britische und anschließend deutsche Medien im März ausführlich über Nicolas Sarkozys angeblichen Seitensprung mit Umweltstaatssekretärin Chantal Jouanno und Carla Brunis Techtelmechtel mit Schmusesänger Benjamin Biolay spekulierten, verordnete sich Frankreichs Presse einen kollektiven Maulkorb und kritisierten die Kollegen.
Dass sich trotzdem eine handfeste Staatsaffäre daraus entwickelte, haben sich die nervös gewordenen Verantwortlichen im "Schloss" einschließlich ihres präsidialen Hausherrn selbst zuzuschreiben. In einem bissigen "Libération"-Essay diagnostiziert die französische Schriftstellerin Camille Laurens eine ausgeprägte Paranoia an der Präsidentenseele. An der Spitze der Republik stehe jemand, der gegen jeden Misstrauen hege und sich ständig verfolgt fühle.
Die Panik im Elysée ist unübersehbar. Zuerst machten sie Jagd auf den Urheber des Gerüchts, einen Blogger des Blattes "Journal du Dimanche" namens "Miklo7". Dann beschuldigten sie die frühere Justizministerin Rachida Dati, aus Rache über ihre demütigende Verbannung ins Brüsseler EU-Parlament die Medien informiert zu haben. Glaubt man dem Enthüllungsblatt "Le Canard enchaîné", dann hat kein Geringerer als der gekränkte Präsident hinter den Kulissen die Fäden gezogen.
Frankreichs Polizeichef Frédéric Péchenard wurde eingeschaltet, um der in Ungnade gefallenen Ex-Sarkozy-Vertrauten aus heiterem Himmel alle Ministerin-Privilegien zu entziehen. Nach und nach wird Frankreichs Öffentlichkeit nun Gewahr, dass der Elysée eine angesichts der dünnen Gerüchte höchst ungewöhnliche Bestrafungsaktion gestartet hat. Nicht nur Dati musste dran glauben. Auch beim "Journal du Dimanche", die dem Medienmogul und Sarkozy-Freund Arnaud Lagardère gehört, rollten Köpfe: Zwei Mitarbeiter wurden gefeuert.
Einmal richtig in Fahrt schwadronierte Präsidentenberater Pierre Charon von einem "Komplott", gar von "einer internationalen Destabilisierung des Präsidenten". Eine windige These, die Sarkozy-Anwalt Thierry Herzog im RTL-Interview ausdrücklich zementierte. Und: Längst ist der französische Inlandsgeheimdienst DCRI eingeschaltet.
Nur: Zeitweilig herrschte soviel Chaos im Maschinenraum, dass die Rechte nicht wußte, was die Linke tat. Carla Bruni wollte das Feuer austreten und gab in einem mutigen Radio-Interview - höchst ungewöhnlich für eine Première Dame - Auskunft über die Aktivitäten der Staatsorgane. "Es gibt keine Ermittlungen" sagte sie - und fing sich prompt ein scharfes Dementi von Geheimdienst-Chef Bernard Squarcini ein.