Handarbeits-Boom: Der Spaß am Stricken, Häkeln und Nähen
Köln (dpa) - Milliardenmarkt Handarbeit: Die Deutschen haben im vergangenen Jahr rund 1,35 Milliarden Euro für ihr Hobby ausgegeben und ein Ende des Booms ist nicht in Sicht. Männer sind langsam aber sicher auf dem Vormarsch.
„Opa Klaus“ ist der heimliche Star neben 70 „Strick-Damen“ in der Produktionsmannschaft eines bayerischen Herstellers von handgefertigten Strickwaren. Der pensionierte Psychologe strickt seit seiner Kindheit und nachdem seine Frau bereits Mützen, Handschuhe, Pullover und neuerdings auch einen Strick-Mantel besitzt, greift der 75-Jährige nun im Auftrag von „My Oma“ zum Strickzeug, wie auf der Homepage des Internet-Anbieters zu erfahren ist. Als strickender Mann gehört er jedoch immer noch einer kleinen aber wachsenden Minderheit an. Neue Häkel- und Stricktrends haben bei der größten europäischen Handarbeits-Fachmesse h+h in Köln Konjunktur.
Von Freitag bis Sonntag (21. bis 23. März) zeigen dort 358 Aussteller aus 40 Nationen einem Fachpublikum, wie man die wachsende Schar von Handarbeits-Fans versorgt. Stricken für Gartenfreunde ist ebenso im Angebot, wie Genähtes für Haustiere oder Häkeln mit Prominenten. Zum neuen Häkelratgeber gibt es das passende Video im Internet und die Nadel gleich dazu.
Am stark wachsenden deutschen Handarbeitsmarkt stellen Männer bislang einen Anteil von lediglich rund zwei Prozent, schätzt Gert Eberhardt, Geschäftsführer der Initiative Handarbeit. Vor allem unter jungen Männern sei Häkeln und Stricken derzeit jedoch stark im Trend, so dass der Männer-Anteil auf bis zu fünf Prozent anwachsen könnte, sagt die Sprecherin der Branchen-Initiative, Angela Probst-Bajak.
Rund 1,35 Milliarden Euro haben die Deutschen im vergangenen Jahr für den Spaß am Selbermachen ausgegeben. Im Vergleich zum Vorjahr konnte die Häkel-, Strick- und Nähbranche damit ein Plus von 13 Prozent verbuchen und ihr stürmisches Wachstum weiter fortsetzen. Strick- und Häkelgarne führen dabei mit einem Umsatzplus um mehr als 20 Prozent auf 520 Millionen Euro die Umsatz-Hitliste an. Damit sei der Branchenumsatz in den vergangenen fünf Jahren insgesamt um rund 40 Prozent gewachsen, sagt Probst-Bajak. Ein Ende des Booms sei derzeit nicht in Sicht.
Auch wenn die Altersklasse „70 plus“ mit 24 Prozent noch immer einen großen Anteil am deutschen Handarbeitsmarkt stellt, holen Jüngere derzeit nach einer zur Messe vorgelegten Umfrage des Marktforschungsinstituts GfK deutlich auf. Nachwuchs-Probleme kenne die Branche derzeit nicht, erläutert Probst-Bajak.
Hauptgrund für den Griff zur Strick-, Häkel-, oder Nähnadel sei der Spaß am Selbermachen und an individuellen Produkten. Sparen könne man dagegen kaum etwas.
Als sportliche Herausforderung sehen dagegen die Teilnehmer der Meisterschaft im Schnellstricken ihre Handarbeit. Mit bis zu 118 Maschen in der Minute gilt die Niederländerin Miriam Tegels als Star der Szene und tritt bei der Kölner Messe außer Konkurrenz an. Rund fünf Stunden täglich trainiert die 49-Jährige mit Nadel und Faden.
Ansonsten scheint Geschwindigkeit eher keine Rolle zu spielen: Bis zu 600 Arbeitsstunden investieren Stickerinnen wie Dorothee Kandzi in ein einziges Stick-Bild nach zum Teil aus dem 16. Jahrhundert stammenden Vorlagen. Täglich etwa drei Stunden sitzt die Historikerin aus dem westfälischen Hamm dabei über ihrer Arbeit mit den haarfeinen Seidenfäden. „Es ist meditativ und entspannend“, berichtet sie.