Harte Strafen für junge Schweizer Schläger
München (dpa) - Eineinhalb Jahre nach ihren Prügelattacken in München sind drei Schweizer Schüler zu Haftstrafen bis zu sieben Jahren verurteilt worden. Sie hatten bei einer Klassenfahrt in nur zehn Minuten wahllos fünf Passanten zusammengeschlagen, darunter einen Körperbehinderten.
Einem Geschäftsmann zertrümmerten die damals 16-Jährigen das Gesicht. „Eine vollständige Erklärung des Gewaltausbruchs ist nicht möglich gewesen“, sagte Gerichtssprecher Hans-Kurt Hertel nach dem Urteil der Jugendkammer des Landgerichts am Montag.
Der Hauptangeklagte Mike B. erhielt wegen versuchten Mordes und gefährlicher Körperverletzung eine Jugendstrafe von sieben Jahren. Benjamin D. soll ebenfalls wegen versuchten Mordes und gefährlicher Körperverletzung für vier Jahre und zehn Monate hinter Gitter. Der dritte Angeklagte, Ivan Z., bekam wegen gefährlicher Körperverletzung eine Haftstrafe von zwei Jahren und zehn Monaten. Staatsanwaltschaft und Verteidigung wollen prüfen, ob sie Rechtsmittel einlegen.
Die Schüler hatten im Sommer 2009 bei der Klassenfahrt in München in einem Park gefeiert, getrunken und Haschisch geraucht. Dann kam es zum Exzess. Auslöser der Prügelattacke soll gewesen sein, dass Mike B. seine Geldbörse vermisst hatte. Doch eine wirkliche Erklärung brachte auch der gut achtmonatige Prozess nicht, erläuterte Gerichtssprecher Hans-Kurt Hertel, nachdem Jugendrichter Reinhold Baier das Urteil gesprochen hatte. Alle drei Angeklagten waren in der Schweiz bereits wegen unterschiedlicher Delikte der Polizei bekannt.
Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) begrüßte die harten Strafen und sagte, die Taten der Jugendlichen erinnerten ihn an einen „Amoklauf ohne Waffen“. Angesichts der „unglaublichen Brutalität ist dieses Urteil angemessen und gerecht“.
Das Gericht blieb mit seinem Urteil aber deutlich hinter den Forderungen der Staatsanwaltschaft zurück. Diese hatte für Mike B. neun Jahre, für Benjamin D. sieben und für Ivan Z. sechs Jahre Haft verlangt. Die Verteidiger hatten für sehr viel niedrigere Strafen plädiert. Mike B.'s Verteidiger hatte lediglich Jugendarrest verlangt - nun aber bekam sein Mandant sogar die höchste Strafe der drei Angeklagten. Ivan Z.'s Anwalt Titus Boerschmann, der auf 16 Monate plädiert hatte, sagte, er sei nicht unzufrieden mit dem Urteil.
Die Jugendkammer habe beim Strafmaß berücksichtigt, dass die Angeklagten mit ihren Opfern finanzielle Entschädigungen vereinbart hätten, sagte Gerichtssprecher Hertel. Mike B. und Benjamin D. hatten sich zudem vor Gericht zu den Vorwürfen geäußert. „Die Geständnisse haben bei der Strafzumessung insbesondere beim Angeklagten D. eine erhebliche Rolle gespielt“, sagte Hertel.
Benjamin D. hatte im Oktober als Erster sein Schweigen gebrochen und am umfassendsten ausgesagt. „Benjamins Geständnis hat viel gebracht“, sagte sein Verteidiger Florian Ufer. Darüber hinaus kam ihm zugute, dass das Gericht den Überfall auf einen Körperbehinderten im Park entgegen der Anklage nicht als versuchten Mord wertete. Der Angriff sei nicht so gefährlich und die Verletzungen seien nicht so schwerwiegend gewesen.
Die Jugendkammer hatte zum Schutz der zur Tatzeit Minderjährigen hinter verschlossenen Türen verhandelt. Nur die Eltern saßen regelmäßig und auch am Urteilstag im Gerichtssaal - und der lebensgefährlich verletzte Geschäftsmann, der als Nebenkläger auftrat. Der Familienvater aus Ratingen in Nordrhein-Westfalen musste zahlreiche Operationen über sich ergehen lassen und leidet bis heute an den Folgen des Gewaltexzesses. Sein Anwalt Claus-Peter Gantert war nicht zufrieden. „Das Urteil hätte etwas härter ausfallen können.“ Insbesondere Benjamin sei „sehr milde davon gekommen“.
Ob die drei ihre Strafe in Deutschland absitzen müssen oder nach einer bestimmten Zeit in ihre Heimat überstellt werden, ist noch offen. Zuerst einmal müsse abgewartet werden, ob Rechtsmittel eingelegt würden. Erst danach könnten überhaupt entsprechende Anträge gestellt werden, hieß es.