Holland und der Feind Wasser

Unsere Nachbarn leben seit Jahrhunderten mit der Bedrohung — und bekämpfen sie mit einem einzigartigen Programm.

Amsterdam. Seit Jahrhunderten haben die Niederlande einen großen Feind: das Wasser. Vom Westen bedrohen die Fluten der Nordsee und vom Osten die Flüsse Rhein, Maas und Waal das Land.

Etwa 40 Prozent der Niederlande liegen unter dem Meeresspiegel. Doch während Deutschland unter den anschwellenden Flüssen leidet, haben die Nachbarn trockene Füße, und das seit fast 20 Jahren. Ein Grund dafür ist ein weltweit einzigartiges Wasserschutzprogramm.

Den Kampf gegen das Wasser haben die Niederländer aufgegeben. Die Devise lautet jetzt: Leben mit dem Wasser. Denn sie wissen: Angesichts des Klimawandels sind die Wassermassen mit Pumpen, Mühlen und Deichen allein nicht mehr zu zähmen. Die Niederländer verschanzen sich nicht mehr, sondern geben dem Wasser mehr Raum.

Ein Einschnitt war die große Sturmflut 1953, bei der weite Teile des Südwestens des Landes überflutet wurden, fast 2000 Menschen ertranken. Die Deltawerke waren die Antwort. Dazu gehören gigantische Dämme und Sturmflutwehre in der Nordsee vor allem an der Küste bei der Provinz Zeeland, die künftige Flutwellen abwehren sollen. Zusätzlich werden auch die Küsten ständig gesichert, die Dünen erweitert, Strände aufgeschüttet und Deiche verstärkt.

Doch das hilft nicht gegen die drohende Gefahr im Osten. Das erkannten die Niederländer zuletzt Mitte der 90er Jahre, als angeschwollene Flüsse weite Teile des Landes überfluteten. Neue Dämme aufzuwerfen oder die Deiche noch weiter zu erhöhen sind aber angesichts des stets weiter zunehmenden Wassers keine dauerhafte Lösung. „Wir müssen dem Wasser Raum geben und es dann kontrolliert in die See abfließen lassen“, sagt Bart Parment, der Direktor des Amtes für Hochwasserschutz.

Das Programm „Raum für den Fluss“ ist dafür ein gutes Beispiel. Dabei wird bis 2015 für 30 Risikogebiete eine Lösung maßgeschneidert. Trocken gelegte Flussarme wurden geöffnet, Uferstreifen ausgeweitet, Deiche verlegt, Brücken verbreitert.

An anderen Stellen werden Deiche nicht erhöht, sondern durchbrochen. Bei drohenden Überschwemmungen kann es in Auffanggebiete eingeleitet werden. „Wir entscheiden das, so weit es geht, gemeinsam mit den Bürgern“, betont Parment. Doch Bewohner müssen auch weichen. Sie werden entschädigt, umgesiedelt oder ihre Höfe auf hoch aufgeschütteten Plateaus, Terpen, neu gebaut. Die Finanzierung ist gesichert durch den Deltafonds von rund einer Milliarde Euro pro Jahr. Alle Programme werden regelmäßig an die neuesten Prognosen angepasst.