X-Games: Einzige Regel — „Hab Spaß“
X-Games heißen die Spitzenspiele des Trendsports. Skateboarder und Mountainbiker treffen sich Ende des Monats in München.
Barcelona. Bruno Hoffmann blinzelt in die spanische Sonne und streckt seinen BMX-Kumpels mit betonter Lässigkeit die Faust entgegen. Im Moment seines bislang größten sportlichen Erfolgs wirkt der 20-Jährige fast etwas unbeholfen — so, als hätte er gerade auf der Kirmes einen riesigen Teddybär gewonnen und wüsste jetzt nicht, wohin damit.
Seine Konkurrenten gratulieren dem deutschen Biker dafür umso herzlicher zum zweiten Platz bei den X-Games in Barcelona. „Das sind meine Homies, meine Freunde.“ Hoffmann ist gerührt.
In der Welt des Trendsports sind Millionensummen kaum zu verdienen, breite Bekanntheit ist für Skateboarder, Motocrosser oder BMX-Fahrer kaum zu erreichen. Dafür hat eine Handvoll Sponsoren die größten Talente außerhalb der etablierten Sportarten unter Vertrag, karrt sie von einem malerischen Ort zum nächsten, setzt allerhand Foto- und Videoprojekte für üppige Werbefilme um, organisiert Wettbewerbe.
„Ich komme in der Welt rum und werde auch noch bezahlt für etwas, das ich sowieso machen würde. Ich fahre BMX-Freestyle-Street.“ Hoffmann strahlt.
Der US-Mediengigant ESPN hatte vor 18 Jahren die zündende Idee. Mit seinen X-Games-Events stampfte der Konzern eine Wettbewerbsserie für Stunt-Sportler aus dem Boden, die bis dahin völlig unorganisiert vor sich hin gefahren und geflogen waren. Seit 1995 gibt es für sie Fernsehpräsenz in verlässlicher Länge, „die Chance für jede Sportart, etwas stärker in den Fokus zu rücken“, so Hoffmann.
ESPN, das zu 80 Prozent dem Unterhaltungsunternehmen Walt Disney gehört, setzt wie kein anderer Konzern weltweit auf Sportarten, die sich beim Internationalen Olympischen Komitee (IOC) bisher erfolglos um eine Aufnahme ins olympische Programm bemüht haben. Ergebnis sind seit Jahren konstant gute Einschaltquoten und eine hohe Markenbekanntheit vor allem bei Jugendlichen.
Mitte Mai in der Hauptstadt Kataloniens: Die betont alternativen X-Games-Stars setzen sich schon allein mit ihrem Kleidungsstil von anderen Sportlern ab. Wollmützen im Sommer, Rappercaps beim BMX-Fahren, überdimensional geschnittene Shirts und Hosen in schrillen Farbkombinationen.
Das Zusammengehörigkeitsgefühl sei fantastisch, urteilt auch US-Skateboarder Ryan Sheckler. „Alle sind Freunde: Wir Skateboarder, die BMX-Fahrer, die Rallyepiloten.“ Sheckler (23) ist eine X-Games-Erfolgsfigur: Mit 13 wurde er jüngster Sieger der Serie überhaupt. Damals ging er noch zur Schule. Als er plötzlich auf den TV-Bildschirmen zu sehen war, beneideten ihn die Klassenkameraden aus dem kalifornischen Küstenstädtchen San Clemente glühend. „Und der Lehrer meinte erstmal: Nicht so schlimm, wenn du keine Hausaufgaben machst.“
Zehn Jahre später gehört Sheckler zu den Gesichtern der X-Games, die vor allem in Nordamerika viele kennen: „Die Leute wissen, wer ich bin.“ Im Gegensatz zu den meisten anderen eröffnet ihm sein Talent nicht nur ein unbeschwertes Leben mit allerhand Trips auf Sponsorenkosten, sondern auch einen Hauch von Berühmtheit in der US-Heimat.
„Das ist der große Unterschied zu den Olympischen Spielen: Bei uns gibt es nur eine Regel. Und die heißt: Hab Spaß“, sagt Ryan Sheckler. Bei Wettbewerben wie in Barcelona sind Sportler, Medien und Zuschauer häufig nur durch einen Gartenzaun getrennt. „Yiii-haaaa“, pfeift es, wenn einem wieder ein Kunststück auf dem Bike oder Skateboard gelingt. Dass Anfang dieses Jahres der Amerikaner Caleb Moore bei einem Stunt tödlich verunglückte, ist bereits wieder in den Hintergrund gerückt — bei Organisatoren wie Besuchern.
Auch für München planen die X-Games-Verantwortlichen Spektakuläres. Höhepunkt soll eine Halfpipe werden, montiert auf einer Plattform mitten im Olympiasee.
Bruno Hoffmann allerdings wird außen vor bleiben. ESPN strich für München kurzerhand zwei etablierte BMX-Wettbewerbe und nahm stattdessen eine Mountainbike-Disziplin auf. Mit sich reden lassen wollten die Veranstaltungschefs darüber nicht.
Auch wenn an den sechs X-Games-Standorten Aspen (Colorado), Tignes (Frankreich), Foz do Iguaçu (Brasilien), Barcelona, München und Los Angeles vieles lokal gestemmt wird: In sportlichen Fragen liegt die Entscheidungshoheit allein bei den amerikanischen Fernsehproduzenten.