Hollywood gegen Netz-Piraten
In Stockholm stehen die Macher der Tauschbörse „Pirate Bay“ vor Gericht. Die Film- und Musikindustrie sieht den Prozess als wegweisend im Kampf gegen Raubkopien.
Stockholm. Die Beute der Netz-Piraten ist riesig: Aktuelle Filme, TV-Serien, Musik, Computersoftware und Hörbücher lassen sich mit Hilfe ihrer Internet-Seiten kostenlos herunterladen. Geistiger Diebstahl - sagt die Musik- und Filmindustrie, der wegen der illegalen Downloads die Umsätze wegbrechen. Nutzung der Informationsfreiheit - sagen die Anbieter der Seiten.
Die derzeit weltweit erfolgreichsten Internet-Piraten, die Betreiber der Seite "The Pirate Bay" (Piratenbucht), stehen seit Montag in Stockholm wegen Verletzung des Urheberrechts vor Gericht. Das öffentliche Interesse an dem bis März anberaumten Verfahren ist riesig: Zum ersten Mal in Schwedens Geschichte wird ein Gerichtsverfahren live und ungekürzt für die Öffentlichkeit übertragen. In diesem Fall - irgendwie passend - im Internet.
Sowohl die Internet-Piraten als auch ihre Kontrahenten aus Hollywood sehen das Verfahren als wegweisend. "Wir sind die größten Vermittler von Kultur und Medien auf der Welt", sagt der "Pirate-Bay"-Verantwortliche Fredrik Neij stolz. Aus reiner Gewinnsucht hätten die Angeklagten mit der Plattform die technischen Möglichkeiten für Raubkopien geschaffen, sagt dagegen Staatsanwalt Håkan Roswall.
Seit der Gründung 2005 hat sich "Pirate Bay" zu einem riesigen Vermittlungsplatz für das Herunterladen von Filmen und allen möglichen anderen computerfähigen Produkten entwickelt. Wer einen normalen Breitbandanschluss zum Internet hat, kann ohne großen Aufwand und vor allem ohne Bezahlung den angesagtesten Hollywood-Film meist schon vor dem deutschen Kinostart herunterladen.
Juristisch kompliziert wird das Verfahren, weil "Pirate Bay" selbst keinen einzigen Film oder Song auf den eigenen Servern lagert. Die schwedischen Piraten bieten mittels der Torrent-Technik lediglich die Möglichkeit, das Gesuchte irgendwo auf der Welt auf anderen Computern zu finden und von dort zu laden.
Derartige Internetseiten ("Torrent-Tracker") gibt es inzwischen wie Sand am Meer. Aber niemand hat Drohungen aus der Industrie, Razzien, Klagen und Sperrungen von Servern so keck bis arrogant getrotzt wie die Schweden.
"Pirate-Bay"-Mitbegründer Gottfrid Svartholm, gerade mal 24, blass und mit schulterlangen, dünnen Haaren sowie schlabbrigen Hip-Hop-Klamotten ein typischer "Computer-Nerd" (Sonderling), antwortete auf Klagedrohungen des Warner-Konzerns schon mal schriftlich mit Sätzen wie: "Schickt mehr Klagedrohungen, bei uns ist das Klopapier knapp."
Svartholm und seine Mitstreiter wollen mit dem Erfolg ihres Dienstes persönlich kein Geld verdient haben: Werbung werde auf ihrer Seite kaum geschaltet, sagen sie. Die Macher sehen ihr Angebot als Suchmaschine, eine Art "Google" für Musik und Filme. Zur aktiven Fangemeinde gehören politische Rechts- wie Linksaußen. Gemeinsam ist ihnen die Abscheu gegen jede Form von Regulierung im Internet.
Die Musik- und Filmindustrie will nun ein Exempel statuieren. Dass eine Verurteilung das kostenlose Filesharing (gemeinsamer Datenzugriff) stoppen würde, halten Experten allerdings für fragwürdig. "Wenn die Macher von ,Pirate Bay’ verurteilt werden, wird es wahrscheinlich die Zukunft des Filesharings nicht beeinflussen", sagt der schwedische Computerjournalist Sam Sundberg.
Auch nach dem Aus der Musik-Tauschbörse "Napster" waren schnell andere ähnliche Angebote zugänglich. Bei ihrer Verurteilung, meint Sundberg, würden die Netz-Piraten in der Szene zu Märtyrern: "Dann sind sie für die Jugendlichen die Che Guevaras der Filesharing-Bewegung."