Krebs: Kahle Models zeigen Mode
Patientinnen eines Düsseldorfer Brustzentrums zeigen Selbstbewusstsein und geschmackvolle Mode.
Düsseldorf. Dicht gedrängt steht die Menge am Laufsteg und wartet auf die Models. Doch keine normale Modenschau wird hier veranstaltet. Ähnlich wie bei Heidi Klums Castigshow geht es am Sonntagabend im Düsseldorfer Veranstaltungsort "Les Halles" weniger um die Mode, sondern mehr um die Models. Da hören aber die Gemeinsamkeiten schon auf.
Während bei den Teilnehmerinnen der Pro7-Sendung gerätselt wird, welche Frau ihre Brust chirurgisch hat behandeln lassen, ist dies hier schon vor Beginn der Veranstaltung völlig klar. Alle Models sind Patientinnen des Brustzentrums des Luisenkrankenhauses Düsseldorf. Mit dem Motto "Der besondere Abend für die besondere Frau" feiert die "Internationale Senologie Initiative ISI e.V." (Senologie = Lehre von der weiblichen Brust) ihr zehnjähriges Bestehen und will zeigen, dass auch Frauen, die Brustkrebs haben, sich attraktiv und selbstbewusst in der Öffentlichkeit zeigen können.
Die ersten präsentierten Kombinationen sind klassische, hochgeschlossene Modelle, die Herbstmode der kommenden Saison. Dann aber werden die Dekolletés tiefer. Die Frauen im Alter von 28 bis knapp 60 Jahren zeigen Cocktailkleider, hauchdünne Blusen und auch Bademode. Mit hocherhobenen Köpfen absolvieren die Models den Weg über den Catwalk. Manches Lächeln zittert beim Blitzlichtgewitter der Fotografen.
Einer jungen Frau, die schwarze Unterwäsche trägt, gelingt das Stöckeln mit den hohen Pfennigabsätzen nicht. Kurzentschlossen lässt sie ihr Schuhwerk stehen und geht barfuß. Das Publikum applaudiert. Dann betritt eine Mutter mit ihrer achtjährigen Tochter den Laufsteg, beide mit blonden Zöpfen, beide in rotkarierten Strandkleidern.
Unter den Zuschauern sieht man erschrockene Gesichter. Da erklärt die Biologin Trudi Schaper vom Luisenkrankenhaus, die als Moderatorin fungiert, dass die meisten ihrer Patientinnen Mütter sind. Das kleine Mädchen ist Tochter, nicht Patientin.
Auch Wiebke Dorfer ist eines der Models. Mit schwerer Lederjacke mimt sie den burschikosen Typ. Ohne sie wäre der Abend nicht möglich, denn die 49-jährige ist Inhaberin der Boutique "mammaca", die die gezeigte Kleidung zur Verfügung stellt. Nach zwei Brustkrebserkrankungen entschloss sich die gelernte Fotografin, Perücken, Kopfbedeckungen, Dessous und Bademoden für betroffene Frauen zu verkaufen. "Das, was ich zuvor in Sanitätsfachgeschäften angeboten bekam, war grausam."
Mehr als 200Stammkundinnen hat die Geschäftsinhaberin schon. Bislang ist sie die einzige deutschlandweit, die geschmackvolle Mode für Brustkrebspatientinnen anbietet. Für ihr Geschäft sei dies gut, für die betroffenen Frauen aber ein Skandal. Mit zorniger Stimme erklärt Wiebke Dorfer: "Wir wollen keine Opfer sein.
Wir wollen attraktiv sein." Tatsächlich, so stimmt die Biologin Trudi Schaper dem Gesagten zu, könne ein gestärktes Selbstbewußtsein den Heilungsprozess bei Krebspatientinnen fördern.
Zum Finale der außergewöhnlichen Modenschau tritt ein Brautpaar ins Scheinwerferlicht. Der Bräutigam ist ein kahlrasierter Italiener mit feurigem Blick und sanftem Schritt, die Braut ein Traum in Weiß mit dunklem lockigem Haar.
Und dann, nach einigen umjubelten Gängen über den Laufsteg, reißt sich die Braut ganz unvermittelt den Schleier vom Kopf und mit ihm die Locken. Zwei kahle Köpfe lächeln in die Kameras. Später erklärt die Braut, die sich getraut hat, "oben ohne" aufzutreten, dass sie nie zuvor so viele bewundernde Blicke von Frauen erhalten habe.
"Ich habe es für alle getan", sagt Heidi Depper. Die 46-Jährige lebt erst seit wenigen Monaten mit der Diagnose und hat nach der Chemotherapie die chirurgische Behandlung noch vor sich. Am Ende der Show bittet Trudi Schaper zu den Klängen von "I am what I am" (Ich bin was ich bin) noch einmal alle Frauen auf die Bühne. Allerdings tragen die Models nun schwarze T-Shirts. Auf denen ist zu lesen: "Wat fott es, es fott" (Was weg ist, ist weg).