Interview: „Am Berg zählt nur die Natur“
Reinhold Messner spricht über den Bergfilm, der den tragischen Tod seines Bruders Günther behandelt.
Herr Messner, wie fühlt es sich an, den Tod des eigenen Bruders zu verfilmen?
Messner: Die Dramaturgie stützt sich auf die Ereignisse des Jahres 1970, die ich natürlich schon lange mit mir herumtrage. Sie gehören zu meiner Biographie. Es ist passiert, insofern kann ich die Geschichte auch erzählen.
Sie haben Ihren Kritikern Rufmord vorgeworfen, als man Sie für den Tod von Günther mitverantwortlich machen wollte. Inwiefern ist dieses Filmprojekt eine Rechtfertigung von Ihrer Seite?
Messner: Es ist keine Rechtfertigung mehr notwendig. Ich habe bereits nach dem Fund meines Bruders 2005 gesagt, dass diese Sache damit für mich abgeschlossen ist. Ich habe damals Stellung dazu genommen und Bücher darüber geschrieben. Mit dem Auffinden der Überreste meines toten Bruders ist eindeutig nachgewiesen, dass die Herrschaften damals einfach eine Lüge in die Welt gesetzt haben - die sich zweifelsohne gut verkaufen ließ. Es ist heute in Millionen von Köpfen festgeschrieben, was diese Leute sich ausgedacht haben.
Wie lauteten die Verleumdungen der Gegenseite?
Messner: Man behauptete, dass ich meinen Bruder am Gipfel über die Aufstiegswand zurückgeschickt hätte. Dann sei ich alleine über die Gegenseite abgestiegen. Wenn das aber der Fall gewesen wäre, hätte man meinen Bruder nie dort finden können, wo er entdeckt wurde.
Was haben Sie empfunden, als die Leiche nach so langer Zeit endlich gefunden wurde?
Messner: Ich habe auch ohne genetische Untersuchungen sofort gewusst, dass es sich um meinen Bruder handelt. Alleine schon wegen der Ausrüstungsgegenstände. Später wurde genetisches Material an die Gerichtsmedizin in Innsbruck geschickt. Dort wurde mit eindeutiger Sicherheit festgestellt, dass es nur mein Bruder sein kann.
Haben Sie auf eine Entschuldigung Ihrer Gegner gehofft?
Messner: Ich erwarte keine Wiedergutmachung, weil ich weiß, wie der Mensch funktioniert.
Wie muss man sich die Besteigung des 8125 Meter hohen Nanga Parbat im Jahre 1970 vorstellen?
Messner: Die Hochwand am Nanga Parbat ist dreimal so hoch wie die Eiger-Nordwand. Sie war 1970 die größte bergsteigerische Herausforderung überhaupt. Doch wie alle vier Expeditionen vor uns, schienen wir am Ende zu scheitern. Daher wollte ich die letzte kleine Chance vor Einbruch des nächsten Schlechtwetters nutzen, um alleine hinaufzukommen. Alleine bin ich schneller, kann rascher reagieren und trage nur die Verantwortung für mich selbst. Das Verhalten am Berg ist nicht in irgendwelchen Regeln festgeschrieben. Was wir da oben tun, ist in den Genen festgeschrieben. Oben am Berg zählt nur die Natur. Mein Bruder ist dann aus eigenen Stücken nachgestiegen, und dadurch kamen wir in eine völlig neue Konstellation. Nun waren wir natürlich füreinander verantwortlich, auch ohne dass wir es je ansprechen mussten.
Was soll die Verfilmung den Zuschauern vermitteln?
Messner: Es laufen hier psychologische Mechanismen ab, die jeder Mensch versteht, der einen Bruder hat oder sich in eine Sportart hineindenken kann. Es ist eine Geschichte, die aus dem Leben gegriffen ist, die zufällig auf einem Berg spielt. Ich könnte keine Filmgeschichte im Rotlichtmilieu erzählen, weil ich damit zu wenig Erfahrung habe. Ich kenne mich besser aus mit der Eiger-Nordwand oder dem Mount Everest.