Interview: Charlotte Roche - „Als Gastgeberin bin ich spießig“
Charlotte Roche ist ihr Image als Skandalautorin leid. Als Moderatorin bei „3 nach 9“ sucht sie nicht den Eklat, hofft aber auf „unvorhergesehene Dinge“.
Düsseldorf. WZ: Frau Roche, mit Ihrem Buch "Feuchtgebiete" wurden Sie Deutschlands Skandalautorin Nummer eins. Stimmt es, dass Sie als Moderatorin von "3 nach 9" sämtliche pikanten Themen aussparen wollen?
Roche: Das war zwar nur ein Witz, aber mir hängen diese ganzen Themen wirklich zum Hals raus. Der ganze Wirbel war maßlos übertrieben, und ich habe mir über Hämorrhoiden und den ganzen Rest den Mund fusselig geredet. Wenn ich jetzt mit Freunden zusammen bin und die sagen irgendwas Versautes, mache ich auch gar nicht mehr mit. Ich schäme mich nicht für mein Buch, aber es bestimmt mein Image völlig, und ich hatte Angst gehabt, dass jedes seriöse Jobangebot dadurch flöten geht. Ich war total geschmeichelt, als das Angebot zu "3 nach 9" kam.
WZ: Sie werden also an der Seite von Giovanni di Lorenzo nicht die Provokateurin geben?
Roche: Viele Leute denken, ich wäre für den Skandal eingekauft und sprenge die Show, aber das ist nicht so. Die bei "3 nach 9" wollen ja auch nicht, dass ich ihnen die Sendung mit Untenrum-Themen kaputtmache. Dass die Redaktion sich darauf besonnen hat, dass ich früher ganz normale Interviews geführt habe, finde ich toll. Konservativere Leute denken, ich wäre eine durchgeknallte Perverse - mit dem Image muss ich eben leben.
WZ: Wie werden Sie als Gastgeberin sein?
Roche: Als Gastgeberin bin ich höflich, spießig, fast schon schleimig - ganz unskandalös. Aber es kann schon sein, dass es etwas lustiger wird. Giovanni di Lorenzo und Amelie Fried waren sich ja sehr ähnlich in der Art zu fragen. Ich denke, ich wurde eingekauft, damit ich lockerer an die Sache herangehe und nicht alles ganz so ernst nehme.
WZ: Und wie könnte das aussehen?
Roche: Wenn ich es schaffen würde, nichts Langweiliges zu machen, wäre ich sehr stolz auf mich. Es kommt ja immer auf den Gast an, und manche Menschen sind einfach langweilig. Vielleicht muss ich zu so jemandem dann auch mittendrin sagen: Merken Sie eigentlich, wie langweilig Sie gerade sind? Das Problem von Talkshows ist, dass die Themen abgesprochen werden und manche Moderatoren nur vorgefertigte Fragen abhaken. Mein Ziel muss es sein, dass viele unvorhergesehene Dinge passieren, und dass ich dann auch den Mut habe, das ins Unkontrollierbare laufen zu lassen.
WZ: Welches wären denn Ihre Lieblingsgäste?
Roche: Fernsehen ist ja wahnsinnig desillusionierend, die Gäste kommen nur, wenn sie was verkaufen wollen, da bin ich selber auch nicht anders. Die liebsten Talkgäste sind mir aber richtige Künstler, vor denen ich Respekt habe. Ich hätte also lieber den Regisseur oder den Drehbuchautor eines Films als den hübschen Hauptdarsteller da. Helge Schneider zum Beispiel ist ein genialer Gast, selbst wenn er bockig ist. Leute wie er absolvieren eine Talkshow nicht brav, die haben auch mal eine große Klappe.
WZ: Sind Sie beim Gedanken an die Premiere nervös?
Roche: Ich bin ein normaler Mensch mit Versagensängsten. Am einen Tag denke ich: Klar, ich pack das. Am nächsten denke ich: Oh Gott, ich kann das doch gar nicht. Ich werde den ganzen Tag kein Wasser trinken, damit ich nicht während der Sendung auf die Toilette muss.