Interview/Ulrich Wegener: „Als meine Truppe da war, gab es keine Zweifel“

Ulrich Wegener, Kommandant der GSG 9 in Mogadischu, erinnert sich an die Befreiung.

Berlin. Der in Jüterbog geborene Ulrich Wegener (79) wurde 1972 als Bundesgrenzschutz-Offizier mit der Bildung der Spezialeinheit "Grenzschutzgruppe 9" beauftragt. Anlass war das Versagen der deutschen Sicherheitskräfte beim palästinensischen Terroranschlag auf die Olympischen Spiele 1972 in München.

Als Kommandant war Wegener in der Nacht vom 17. auf den 18.Oktober 1977 für die Erstürmung der entführten Lufthansa-Boeing "Landshut" verantwortlich. In Roland Suso Richters ARD-Drama "Mogadischu" wird Ulrich Wegener von Herbert Knaup dargestellt. Wir trafen den Zeitzeugen in Berlin zum Gespräch.

WZ: Herr Wegener, wie authentisch ist der Film "Mogadischu"?

Wegener: Natürlich konnte man einige Dinge nicht im Film unterbringen, taktische Dinge, die nicht unbedingt an die Öffentlichkeit gehören. Ansonsten ist der Film sehr authentisch.

WZ: Haben Sie beratend am Film mitgewirkt?

Wegener: Ja, ich war beim Dreh in Casablanca dabei und habe auch einige meiner Leute dabei gehabt. Das hat sich ausgezahlt, wir konnten einiges richtigstellen. Wir haben gezeigt, wie die Bewegungen der Sturmtrupps in der Realität ausgesehen haben. Alles ist sehr gut geworden, auch was den Kampf in der Maschine betrifft.

WZ: Sie hatten 1977 die GSG 9 fünf Jahre lang trainiert. Welche Gedanken und Gefühle bewegten Sie, als Sie wussten, dass es jetzt ernst wird?

Wegener: Wir hatten eine ganze Reihe von Einsätzen absolviert, kleinere Sachen. Wir waren 1977 schon bei den Vorgängen um die Schleyer-Entführung im Einsatz. Der Krisenstab rief mich an und teilte mir mit, dass ein Flugzeug entführt worden sei. Es war genau das, wofür wir immer geübt hatten. An Flugzeugen hatten wir jahrelang trainiert, ich hatte ein Archiv über die unterschiedlichsten Flugzeugtypen und die Orte, an denen wir geübt hatten. Nicht immer zur Begeisterung der Fluglinien, denn hin und wieder ging auch etwas zu Bruch. Ich habe meine Leute, darunter viele Familienväter, gefragt, ob sie lieber zu Hause bleiben wollen. Sie haben mich angeschaut, als sei ich verrückt. Sie wollten endlich ihre Fähigkeiten unter Beweis stellen.

WZ: Hatten Sie Momente des Zweifels?

Wegener: Vorher schon, aber nicht während des Einsatzes. Als meine Truppe da war und ich die Einsatzplanung fertig hatte, gab es keine Zweifel mehr. Wir wussten genau, was wir machen mussten, jeden Schritt. Bevor wir abflogen, meldete sich mein Adjutant und fragte mich: "Wissen Sie eigentlich, dass wir an der Landshut schon geübt haben, als die Maschine mal über Nacht in Nürnberg stand?"

WZ: Welche Reaktionen haben Sie von den Befreiten erfahren?

Wegener: Natürlich haben sie sich gefreut. Ich habe auf dem Flugfeld meine Mannschaft gesammelt und bin dann zum Terminal gegangen. Dort waren die ganzen ehemaligen Geiseln versammelt, sie haben sich bedankt und mich umarmt. Das war schon eine große Befriedigung. Das Wesentliche war natürlich, dass es ohne Verluste abgegangen ist. Aber das war die typische Folge des Übens bis zum Geht-nicht-mehr. Meine Leute haben bestimmt gedacht, der Alte spinnt, weil ich die Übungen immer wieder wiederholt habe, weil es mir nicht präzise und nicht schnell genug war. Am Ende hatten sich Erfahrung und Disziplin ausgezahlt.