Jugendherberge: Übernachten - Zu sechst auf 25 Quadratmeter
Mitte August ist die neue Jugendherberge in Oberkassel bezugsfertig. Die WZ lag schon mal Probe.
Düsseldorf. Jennifer, man ist beim Du, macht sich eine Suppe heiß, Csilla guckt ihr zu oder eher doch auf sie herab, sie hat sich auf der zweiten Etage des Doppelbetts niedergelassen und schimpft über den Service in der Oberkasseler Jugendherberge. "Freundlich sind die hier aber nicht." Zimmergenossin Sonja sieht das anders: "Dann bist du noch nicht viel rumgekommen. Das ist die beste Jugendherberge, die ich kenne", sagt sie.
"Toilette und Dusche auf dem Zimmer. Es ist sauber, was willst Du mehr?" Jennifer ignoriert die beiden Streithähne, die wegen eines Seminars in der Stadt Station machen, und löffelt ihre Suppe. Jennifer kommt aus Australien und versteht kaum Deutsch. In der Jugendherberge nächtigt sie nur vier Tage, "um mir die Museen anzugucken", sagt die 55-Jährige. Am Donnerstag will sie weiterziehen, vielleicht nach Boston, in Luxemburg war sie schon. Der Streit ist beendet, als jemand von außen am Türschloss herumfummelt. Nelly und Nevin sind zurück.
Die Mittdreißigerinnen arbeiten als Hostessen auf der Messe und sind eigentlich hochpreisigere Zimmer gewohnt. "Furchtbar, zu sechst in einem Raum", stöhnen sie. Wirklich schockiert wirken sie aber nicht. Sie haben wohl auch nicht die Zeit dazu. Die Freundinnen wollen gleich weiter, sich in der Stadt mit Bekannten zum Essen treffen.
Doch Nevin ist unschlüssig. "Was soll ich bloß anziehen?" Seit drei Tagen trage sie dasselbe T-Shirt. "Ich dachte wir kommen zum Arbeiten und nicht zum Ausgehen." Die anderen kennen diese Sorgen schon. Csilla gibt von oben Tipps: "Der braune Pullover ist doch gut, oder?" "Nee, der macht fett", findet Nevin und entscheidet sich nach langem Hin und Her und Tipps von allen Seiten für ein eng anliegendes schwarzes T-Shirt und Jeans. Das findet auch die Australierin "very nice" - der Abend ist gerettet.
Nelly und Nevin verschwinden so schnell wie sie gekommen sind, es wird ruhig im Zimmer. Auch auf den Fluren ist nichts los. Ein kurzer Abstecher zum Aufenthaltsraum, auch dort keine Menschenseele, kein Krawall auf den Fluren, niemand raucht heimlich auf den Toiletten. Kein Wunder, die meisten Gäste arbeiten auf der Messe oder besuchen sie - bei vielen ist um 21 Uhr Schicht im Schacht. Trotzdem, Jugendherberge kennt man irgendwie anders.
Also zurück ins Zimmer. Csilla und Sonja lesen, auch Jennifer blättert in einer Zeitschrift. Zeit, das Bett zu beziehen. Im "Obergeschoss" ist das gar nicht so einfach, mit beiden Beinen auf der Leiter und einer Hand an der Bettkante sogar gefährlich wackelig. Großartig wäre jetzt ein Spannbettlaken. Aber ob aus pädagogischer Überlegung oder doch gemeiner Schikane - ein Spannbettlaken gibt es in der Jugendherberge nicht - genauso wenig wie Handtücher. Ein "Wir sind hier ja schließlich nicht im Hotel", kann sich Sonja auf diese Feststellung nicht verkneifen, das "Weichei" denkt sie sich.
Punkt zehn Uhr geht das Licht aus, Nachtruhe. Im "Erdgeschoss" schnurgelt leise Jennifer - bis etwa 3 Uhr, denn da poltern Nevin und Nelly ins Zimmer. Pünktlich um sieben Uhr klingeln die Wecker, verschlafen ist geradezu unmöglich und nach einander geht’s ins Bad. Keiner will das Frühstück verpassen. Denn das ist, da sind sich alle einig: "Eins A!" Tatsächlich ist der Frühstücksraum voll, so gut wie alle müssen weiter zur Messe.
Um 9 Uhr sollen die Zimmer geräumt sein, das heißt Kaffee runterstürzen, schnell packen, Bettwäsche abgeben und los, über die Oberkasseler Brücke Richtung Heimat. Es ist Dienstag, die Stadt wegen der Sommerferien leer. Die Sonne steht über dem Rhein und zum erstenmal ist es da, das Gefühl aus dem Urlaub nach Hause zu kommen.