Keine Panik vor dem Alter
Der Deutschrock-Revolutionär Udo Lindenberg feiert am Dienstag seinen 65. Geburtstag. Das Alter sei für ihn nur eine Zahl.
Hamburg. Sollte Udo Lindenberg plötzlich all der Ruhm zu viel werden und sich unterm berühmtesten Hut Deutschlands Bescheidenheit breitmachen? Ausgerechnet er, der sich selbst mit einem eigenen Musical ein Denkmal gesetzt hat, macht einen großen Bogen ums Hamburger Panoptikum.
Dort, auf der von ihm legendär besungenen „geilen Meile“ Reeperbahn, steht seit mehr als einem Jahr sein Doppelgänger aus Wachs — vom realen Udo noch nicht ein einziges Mal in Augenschein genommen. „Nee, das habe ich bisher extra vermieden“, erklärt der Sänger, „sich da selbst gegenüberzustehen und in dieses starre Gesicht zu schauen, ist mir doch irgendwie unheimlich.“ Ansonsten aber ist dem Deutschrock-Revolutionär, der am Dienstag seinen 65. Geburtstag feiert, jede Form der Denkmalsetzung und Legendenbildung recht.
Wenn es um sein Werk geht, gibt sich der im Hamburger Hotel „Atlantic“ lebende Rockstar selten bescheiden. Dafür hat der „Junge von der Straße“, wie er sich selbst nennt, zu hart an seiner Karriere gearbeitet — und zu viel erreicht. Seit rund vier Jahrzehnten gehört er zu Deutschlands populärsten Musikern. Er hat Höhen wie Tiefen seiner Branche erlebt. Noch beim runden Geburtstag vor fünf Jahren hatten ihn viele nach Alkoholexzessen „Unterm Säufermond“ längst abgeschrieben. Welch sensationelles Comeback ihm ein Jahr später mit seinem Album „Stark wie Zwei“ gelingen sollte, ahnte er selbst nicht.
Längst sei er so etwas wie „der Alterspräsident aller ewig Jugendlichen, der Freakvater“, schreiben die Autoren Benjamin von Stuckrad-Barre und Moritz von Uslar im Buch „Am Trallafitti-Tresen“. „Jeder kann doch irgendeinen Vierzeiler auswendig, fast jeder hat schon mal Udos Nuschelgesang mit hängender Unterlippe nachgemacht.“
Lindenbergs Motto: „Das Leben soll sich nach meinen Träumen richten und nicht umgekehrt.“ Am Anfang stand eine Art „Masterplan“, den der aus dem westfälischen Gronau stammende Sohn des Installateurs Gustav und der Hausfrau Hermine bis ins Detail ausgeheckt hatte — getrieben vom Wunsch, „reich und berühmt“ zu werden. Er entwarf das Bild vom Rock-Revolutionär. „Markante Silhouette mit enger Beinbekleidung, torkelnde Lindi-Choreographie und deutsche Texte. Strategie-Papiere für den Weg vom Gully zum Gipfel“, beschrieb er es.
Angefangen als Schlagzeuger gelang Lindenberg nach Engagements bei Jazz-Größen wie Klaus Doldinger 1973 mit dem Panikorchester der Durchbruch als Sänger. Singen konnte er kaum, nicht die Melodie gab den Ton an, sondern sein Sprechgesang — die Deutschen horchten auf. Das klang anders als alles, was bisher aus den Radios kam.
Sprüche wie „Keine Panik auf der Titanic“ machten Lindenberg zum Synonym für eine neue Jugendsprache. Keine Panik gilt auch für sein Alter: „Ich fühle mich wie ein Außerirdischer — nicht von dieser Welt. Da unterliegt man nicht der irdischen Zeitzählung“, sagt er. „65 — nur eine Zahl von der Firma Scheißegal.“