"Klimaschutz ist preiswert"
Der scheidende Präsident des Wuppertal Instituts für Klima, Umwelt, Energie, Peter Hennicke, glaubt, dass die USA und China bei der Klimarettung helfen werden.
<strong>Herr Professor Hennicke, die Bundesregierung und auch die Europäische Union haben in den vergangenen Monaten ehrgeizige Klimaschutzpakete vorgelegt. Reichen die Beschlüsse, um das Klima zu retten?Hennicke: Ich glaube, dass wir tatsächlich kurz vor einem Durchbruch stehen. Was die Ankündigungen betrifft, ist das deutsche Klimapaket sicher das ambitionierteste der Welt. Wenn die Bundesregierung ihre Glaubwürdigkeit nicht verspielen will, muss sie die Beschlüsse nun umsetzen. Ich bin sehr zuversichtlich, dass das gelingen wird, da sich immer mehr die Einsicht durchsetzt, dass Klimaschutz auch unserer Wirtschaft große Chancen eröffnet. Die Ziele der Regierung klingen tatsächlich ehrgeizig. Aber sind die Maßnahmen auch konkret genug?Hennicke: Wir haben zum ersten Mal für die Kernbereiche im Klimaschutz genaue Zielvorgaben. Das betrifft im Kraftwerksbereich die Kraft-Wärme-Kopplung oder den Ausbau der Stromproduktion aus erneuerbaren Energien auf 30 Prozent. Das ist sehr ambitioniert, keine Frage, aber auch im Management der Unternehmen werden die damit verbundenen Chancen mehr und mehr gesehen. Bei der Vorstellung des EU-Klimapakets hat Kommissionschef José Barroso konkrete Kosten genannt. Er sprach von gut 150 Euro pro Bürger und Jahr. Reicht das?Hennicke: Ich glaube, der Klimaschutz ist sogar deutlich preiswerter zu haben. Eine grobe Schätzung geht von rund 50 Euro pro Kopf und Jahr aus, wenn wir 80Prozent CO2-Reduktion bis 2050 anstreben und bis 2023 aus der Kernenergie aussteigen. Was Barroso nicht eingerechnet hat, ist die Energieeinsparung, die wir durch Klimaschutzmaßnahmen gewinnen. Selbst wenn Deutschland oder gar die gesamte EU ihre Klimaschutzziele erreichen sollten, wird der Klimawandel nicht zu bremsen sein. Die USA, China und bald auch Indien machen mit ihren gigantischen CO2-Emissionen doch alles zunichte.Hennicke: Es geht beim Klimaschutz nicht um Zahlenspielerei, es geht um die internationale Wirkung von Beispielen. Selbst wenn es kein Klimaproblem gäbe, müsste die Energieversorgung aus Gründen der Rohstoff-Knappheit verändert werden. Wir müssen weg von Öl und Gas. Wenn wir als führende Industrienation beweisen, dass das ohne Aufgabe des Wohlstands realisierbar ist, dann wird das auch in China, Indien und anderen großen Schwellenländern einen enormen Schub auslösen. So funktioniert internationale Klimapolitik. Glauben Sie nach den Erfahrungen in Bali wirklich, dass sich die großen Blockierer USA und China auf eine wirksame Klimaschutzpolitik einschwören lassen?Hennicke: Wir haben zehn, vielleicht sogar 20Jahre Zeit verloren. Und die Hauptverantwortung dafür lag zweifellos im Weißen Haus. Diese Blockade wird ab 2009 wegfallen. Und wir werden uns wundern, zu was die USA fähig sind. Was macht Sie so sicher? Sind Obama, Clinton und McCain allesamt Klimaschützer?Hennicke: Bei Clinton und Obama ist das so gut wie sicher. Das heißt jedoch noch nicht, dass die Mehrheiten im Kongress gesichert sind. Doch zumindest in der US-Wirtschaft ist die Bereitschaft zum Handeln groß, das merke ich immer wieder, wenn ich dort Gespräche führe. Und wie steht es um China? Dort gehen jede Woche neue Kohlekraftwerke ans Netz, um mit der gigantisch wachsenden Energie-nachfrage Schritt zu halten.Hennicke: Für China ist die Lösung der Energiefrage eine Überlebensfrage. Und der Klimawandel stellt für das Land eine immense Bedrohung dar. Die schmelzenden Gletscher im Himalaya, die zurzeit noch zig Millionen Chinesen mit Trinkwasser versorgen, sind da nur ein Beispiel. Die Einsicht in der chinesischen Führung für diese Bedrohungen ist längst da. China hat einen umfangreichen Plan zur Steigerung der Energieeffizienz aufgelegt, aber es hakt noch - ähnlich wie in der EU - an der Umsetzung. Die entscheidende Frage wird sein, ob die Maßnahmen mit dem nötigen Tempo umgesetzt werden. Das ist ein großes Problem.
Peter Hennicke
Laufbahn Der am 18. Januar 1942 geborene Peter Hennicke studierte Chemie und Volkswirtschaftslehre an der Uni Heidelberg. Nach seiner Habilitation in Energiewirtschaft begann er als Professor an der Uni Osnabrück. Von 1987 bis 2002 saß er in drei Enquete-Kommissionen des Bundestages.
Wuppertal-Institut Seit 1992 arbeitete Hennicke im Wuppertal Institut, zunächst als Direktor der Abteilung Energie. Im November 2000 trat er als amtierender Präsident die Nachfolge von Ernst Ulrich von Weizsäcker an. Heute wird er in den Ruhestand verabschiedet.