Klotzwurf: Tauziehen um einen Übersetzer

Der Angeklagte stammt aus Kasachstan. Darf ihm ein Dolmetscher verweigert werden?

Oldenburg. Er soll einen sechs Kilo schweren Holzklotz von einer Autobahnbrücke geworfen und damit die Mutter von zwei Kindern getötet haben. Am Dienstag wird das Verfahren gegen den Angeklagten Nikolai H. am Landgericht Oldenburg fortgesetzt.

Aber bevor in dem Indizienprozess Zeugen und Sachverständige gehört werden, muss der Richter eine wichtige Entscheidung fällen. Die Verteidigung des Angeklagten hat am ersten Verhandlungstag einen Befangenheitsantrag gegen die Kammer gestellt.

Hintergrund für den Antrag ist ein mutmaßliches Sprachproblem und die Frage: Darf man einem Angeklagten einen Dolmetscher verweigern, wenn die Möglichkeit besteht, dass er seinen eigenen Prozess nicht versteht? Die Anträge auf eine russische Übersetzung der Anklageschrift und das Hinzuziehen eines Dolmetschers während der Verhandlung sind von der Kammer abgelehnt worden.

Begründung des Vorsitzenden Richters Sebastian Bührmann: In vorherigen Strafprozessen benötigte Nikolai H. ebenfalls keinen Dolmetscher, kurz nach dem Holzklotz-Verbrechen am Ostersonntag hatte er einem TV-Sender auf Deutsch ein Interview gegeben.

Seine Verteidigung behauptet dagegen, dass Nikolai H. kaum deutsch versteht. Der 30-Jährige stammt aus Kasachstan. Er lebt seit 14 Jahren in Deutschland und besitzt die deutsche Staatsangehörigkeit. Seine schulischen Leistungen sollen unterdurchschnittlich gewesen sein, er erlernte keinen Beruf. Stattdessen schlug er sich als Hilfsarbeiter durch - Jobs bei denen es auf gute Deutschkenntnisse nicht ankam. Der Angeklagte spreche mit Freunden und Familie nur russisch.

Bisher reichten ihm vor Gericht - bei Anklagen wegen Raub, Diebstahl und Drogenbesitz - seine Deutschkenntnisse. Aber diesmal geht es um Mord und damit um lebenslänglich. "Wenn der Richter sich sicher ist, dass der Angeklagte alles versteht, darf er ihm einen Dolmetscher verweigern", sagt Strafrechtsexpertin Fatome Zerari aus Duisburg. "Aber wenn zu befürchten ist, dass er nicht jedes Wort versteht, dann halte ich diese Entscheidung für bedenklich. Dann sollte ihm jemand alles übersetzen."

Immerhin werden im Prozess auch Gutachten von Sachverständigen erörtert - Texte, die sogar für Menschen mit guten Deutschkenntnissen nicht leicht zu verstehen sind. Ein Dolmetscher kostet laut Justizvergütungsgesetz 55 Euro pro Stunde. Der Prozess ist auf 16 Verhandlungstage ausgelegt.