Die unverwüstliche Grace Jones

Die Sängerin ist 60 Jahre alt geworden und meldet sich nach 19 Jahren Pause mit einem neuem Album zurück.

London. Was sie war, was sie sein wollte, wusste man nicht so genau: Ungeheuer weiblich und beängstigend maskulin zugleich wurde Grace Jones in den 80er Jahren zur Pop- und Schwulen-Ikone. Mit ihrem damaligen Freund, dem französischen Fotografen Jean-Paul Goude, verwandelte Jones sich, die Pfarrerstochter aus Jamaika, in eine öl-glänzende Kunstfigur mit scharfkantiger Kastenfrisur.

Passend zu ihrem strengen Sprechgesang in "Nightklubbing" oder "Slave to the Rhythm" schufen sie so etwas wie eine lebende Sexmaschine. Die wurde von Citroen engagiert, um in einem Werbespot einen CX Turbo aus ihrem metallisch verstärkten Unterkiefer fahren zu lassen.

Da war es Grace Jones schon zur Gewohnheit geworden, sich permanent neu zu erfinden. Erst wollte sie Sprachlehrerin werden ("Ich spreche Französisch, Spanisch, Japanisch, Italienisch und Deutsch"), dann fing sie eine Schauspiel-Ausbildung an, wurde als Model entdeckte, das bald auf den Titelseiten von "Elle" und "Vogue" prangte und sich mit Jerry Hall und Jessica Lange eine Wohnung in Paris teilte.

Ihr androgyner Stil, ihre Attitüde einer grimmigen Amazone machten sie zum Liebling der New Yorker Party-Gesellschaft, das legendäre "Studio 54" war ihr Wohnzimmer. Sie war mit Andy Warhol befreundet, der ihr unter anderem nahelegte, den Leuten, die nach einem Autogramm fragten, auch eins zu geben: "Das sind diejenigen, die auch die Platten kaufen."

1986 begleitete sie Warhol zur Hochzeit von Arnold Schwarzenegger und Maria Shriver und amüsierte sich mit dem Kennedy-Clan. "Ich trug einen recht monströsen russischen Pelzmantel, ein nicht zu übersehendes, hautenges grünes Kleid und einen riesigen Hut", beschreibt sie der "Welt" ihren Auftritt.

Ende der 80er Jahre wurde es stiller um Grace Jones, bis man schließlich gar nichts mehr von ihr hörte. Sie habe einfach gelebt, sagt sie heute. Doch wie sollte das wohl aussehen? Es ist schwer vorstellbar, dass sich Grace Jones in einer ihrer Wohnungen in Paris, New York, Venedig oder neuerdings auch in London am Herd etwas brutzelt, trockene Blättchen von den Topfpflanzen zupft und nachschaut, ob noch genügend Toilettenpapier da ist.

Das glaubt nicht mal Grace Jones selbst so richtig und erzählt deshalb auch, sie sei in den vergangenen 20 Jahren quasi unablässig in klitzekleinen Clubs aufgetreten. Nun aber hat die 60-Jährige mit ihren alten Produzenten nach 19Jahren Pause tatsächlich ein neues Album - ihr zehntes - aufgenommen.

Zu "Hurrican" hat Brian Eno einige Sounds beigesteuert, der Hiphopper Tricky singt mit ihr im Titelsong, Jones’ Mutter stimmt bei "Amazing Grace" mit ein. Da treffen Versatzstücke aus Gospel, Rock und Disco auf Maschinenbeats, darunter liegt der alte Reggae-Teppich. Das neue Album hört sich also ziemlich so an wie ihre früheren - was ja nicht ganz schlecht sein muss.

Grace Jones tritt willig zurück ins Scheinwerferlicht, spricht aber in Interviews jetzt gern von ihrem zurückgezogenen Leben und ihrer Schüchternheit. Ihre Äußerung in der "FAZ" klingt dennoch fast ehrlich: "Wenn man mich erst einmal kennenlernt, merkt man, dass ich ganz harmlos bin. Ich bin gar nicht so extrem. Nur anders."