„Kühe, Schweine, Hoffenheim“

Nur 3300 Menschen wohnen in Hoffenheim, doch ihr Fußballverein, die TSG, steht auf Platz 1 der Bundesliga.

Hoffenheim. Ein Dorf im Rausch der Euphorie, ein Meer weiß-blauer Fahnen. So wird Hoffenheim, der kleinste Ort mit einem Verein in der Fußball-Bundesliga gerne in den Medien beschrieben. Kühe, Schweine, Hoffenheim lautet dagegen der wenig respektvolle Schlachtruf gegnerischer Fans.

"Natürlich sind wir ein Dorf und das ist auch gut so", sagt Ortsvorsteher Karl-Heinz Hess, der den Begriff nicht im geringsten als Beleidigung empfindet. Er ist hauptberuflich Landwirt, baut Tabak an und kommt deshalb auch zu spät zum Gespräch. Auf den Erfolg der TSG Hoffenheim ist er, wie die meisten der gut 3300 Einwohner, ungeheuer stolz. "Wir sind keine Fangemeinde, sondern eine Gemeinde, in der alle zu Fans wurden", beschreibt er die Stimmung im Ort.

Natürlich gehen dabei manche etwas weiter als andere. Heribert Breunig etwa, F-Jugendtrainer bei der TSG 1899, seine Söhne spielen in der D- und C-Jugend des Vereins. Er hat sein Haus nach dem Aufstieg im Sommer komplett blau-weiß gestrichen. Etwas dezenter halten es die meisten anderen Hoffenheimer. Aber beinahe an jedem zweiten Haus flattern blau-weiße Wimpel, hängen Schals oder Aufstiegsplakate in den Fenstern.

Auch im gesellschaftlichen Leben spielt der Fußball mittlerweile eine große Rolle. In anderen Orten gehen die Männer zum Stammtisch, die Hoffenheimer zum Trainingsgelände. Am Rande des Sportplatzes, auf dem die Profis bis zu zweimal täglich den Ball laufen lassen, treffen sich junge und ältere Fans. Manuel (10), Nico (13) und Luca (9) schauen manchmal sogar zweimal vorbei - "wenn wir schulfrei haben." Also nutzen sie die Zeit, um Autogramme ihrer Stars zu sammeln. Sejad Salihovic, Vedad Ibisevic und wie sie alle heißen.

Am Zaun steht aber auch die ältere Generation der Hoffenheimer. Wer vorbeikommt, bleibt kurz für ein paar Minuten stehen. Es wird diskutiert, gestritten oder einfach die Zeit totgeschlagen.

"Wir sind ja Rentner und haben nichts besseres zu tun", sagt Friedhelm Maun. Viele von ihnen sind der TSG schon seit Jahren treu und haben die Entwicklung genau verfolgt. "Früher kamen weniger Leute hierhin", erinnert sich Kurt Poth, "dafür haben die Spieler noch auf mich gehört, wenn ich was vom Rand reingerufen habe."

Den Presserummel um "ihre Jungs" verfolgt er gelassen. "Wenigstens lernen wir Hoffenheimer jetzt alle, Hochdeutsch zu sprechen." Außerdem hat die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf ihre Vorteile, weiß Salvatore Coneglio, der vor rund 40 Jahren aus Italien ins Kraichgau kam. "Wenn ich früher jemandem erklärt habe, wo ich wohne, habe ich immer gesagt, zwischen Stuttgart und Heidelberg. Jetzt sag ich einfach: Hoffenheim."

Das Dietmar-Hopp-Stadion im Ort wird von der Bundesliga-Mannschaft allerdings nicht mehr benutzt. Noch werden die Spiele im 50 Kilometer entfernten Mannheim ausgetragen, im nahen Sinsheim wird ein neues Stadion gebaut, das im Januar fertig werden soll.

"Das werden dann unsere ersten echten Heimspiele", freut sich Torsten Hartl schon. Er hat 2001 den ersten Fanclub der TSG gegründet. Anfangs waren es zehn, aktuell sind es 240 Mitglieder, überwiegend aus dem Ort oder der näheren Umgebung. Der Jüngste ist ein Hagr alt, der Älteste 72. Viele unterschiedliche Typen sind dabei.

"Da ist dann das ganze Dorf im Stadion", beschreibt Hartl und erinnert sich an das Auswärtsspiel in Dortmund. So viele Einwohner seien mitgefahren, dass die Sinsheimer Polizei verstärkt im Ort Streife gefahren sei, weil so viele Häuser leer standen. Zum morgigen Spiel in Berlin fahren immerhin zwei Busse.

Die Hoffenheimer lieben die Spieler, die bisher keine Starallüren zeigen. "Wenn man ihnen beim Joggen oder Fahrradfahren im Wald begegnet, winken sie alle und grüßen freundlich", erzählt Karl-Heinz Hess. Auch der großzügige Mäzen Dietmar Hopp sei im Dorf wohlbekannt.

"Leider wohnt bisher keiner der Spieler hier. Aber wir sind dabei, ein neues Baugebiet zu erschließen. Dann können sie im Sinsheimer Stadion spielen, auf dem neuen Trainigsgelände im Nachbarort Zuzenhausen trainieren und hier in Hoffenheim wohnen."

Und wie geht es jetzt weiter mit der TSG? Kommen nächstes Jahr vielleicht schon die Fans aus Italien und Spanien, wenn Hoffenheim international spielt? "Dafür wäre es zu früh", glaubt Hess. Die Infrastruktur des Dorfes ist darauf nicht eingerichtet, es gibt gerade einmal drei Pensionen mit insgesamt 16 Betten. "Der Ort braucht da noch zwei, drei Jahre, um mit dem Tempo der Fußballer mitzukommen."