Mehr Patienten, weniger Personal: Stau in der Notaufnahme
Notfallärzte in Krankenhäusern lernen, Dringlichkeiten nach einem Schema einzuschätzen.
Düsseldorf. Eine Schnittverletzung hier, ein Harnwegsinfekt da, dazwischen ein Patient mit gefährlicher Lungenverletzung. Unter großer Anspannung müssen Ärzte in den Notaufnahmen der Krankenhäuser sicherstellen, ob es sich um eine Bagatellverletzung handelt oder ob Lebensgefahr besteht. „Feste Regeln können das erleichtern“, sagt Georg Welty, Leiter der Notfallaufnahme im Düsseldorfer Marienhospital. Mit Statisten als Verletzte schulte er acht Kollegen, leitende Notfallmediziner aus NRW-Kliniken, in dieser Dringlichkeitseinschätzung.
Denn der Alltag in einer Notaufnahme ist stressig. Doch in den Krankenhäusern sitzen auch viele Patienten, die nicht lebensbedrohlich erkrankt sind. Die eine Platzwunde haben, Fieber oder Grippe. „Da muss das Team funktionieren wie eine gute Fußballmannschaft“, sagt Welty. „Sonst kommen wir mit dem Ansturm hier nicht zurecht.“
25 000 Patienten kommen pro Jahr in die Notaufnahme des Marienhospitals. In den beiden Düsseldorfer Sana-Kliniken (Benrath und Gerresheim) werden pro Jahr jeweils 30 000 ambulante Fälle behandelt. Etwa ein Drittel dieser ambulanten Patienten könnte auch in die Notfallpraxis der niedergelassenen Ärzte gehen, sagt Sana-Sprecher Tino Kessler-Thönes, am Wochenende bis zu 50 Prozent.
Doch wohin sie im Notfall am besten gehen, können Patienten selbst nur schlecht beurteilen. Vielen ist der Unterschied zwischen ambulantem und stationärem Notdienst auch gar nicht bekannt. Krankenhäuser sind mit ihren Notaufnahmen eigentlich für die schweren, also stationären Fälle zuständig. Die ambulante Notfallversorgung organisieren die niedergelassenen Ärzte mit ihrem Bereitschaftsdienst. Tatsächlich fahren die Menschen aber oft direkt ins Krankenhaus — weil es näher ist oder sicherer erscheint.
„Bundesweit steigen die Patientenzahlen in den Krankenhausnotaufnahmen“, sagt Lothar Kratz, Sprecher der Krankenhausgesellschaft NRW. Für Kliniken, personell und finanziell oft nicht auf Rosen gebettet, ist das eine Herausforderung. „Rettungswagen mit Schwerverletzten oder Patienten mit Verdacht auf Schlaganfall werden vorgezogen, das führt oft zu Unmut unter den Wartenden“, erklärt Kratz. Abgewiesen wird niemand, aber um in der Schnelle die richtige Entscheidung zu treffen, wirbt Georg Welty für das Konzept der Dringlichkeitseinschätzung.
Die ambulante Notfallversorgung obliegt ansonsten den Kassenärztlichen Vereinigungen (KV). Die niedergelassenen Ärzte — 17 400 in der KV Nordrhein — sind zum Bereitschaftsdienst verpflichtet, um die Versorgung der Patienten in den sprechstundenfreien Zeiten sicherzustellen. „Bei uns gibt es 78 ambulante Notfallpraxen der Kassenärzte, die vielfach an Krankenhäuser angegliedert sind“, erklärt Karin Hamacher, Sprecherin der KV Nordrhein. Damit sei eine „gewisse Steuerung“ der Patientenströme möglich. „Oft suchen die Patienten jedoch die für sie am einfachsten erreichbare Ambulanz auf.“