Menschen fliehen vor der Flut
Berlin (dpa) - Das Hochwasser auf Elbe, Donau und Saale hat am Mittwoch Tausende Menschen aus ihren Häusern vertrieben. Allein in Halle waren bis zu 30 000 Menschen bedroht. Dort stieg die Saale auf den höchsten Stand seit 400 Jahren.
In Bayern überschwemmte die Donau mehrere Ortschaften - von manchen Häusern schauten nur noch die Dächer aus der braunen Flut. Der Scheitelpunkt des Elbe-Hochwassers sollte an diesem Donnerstag Dresden erreichen. Weiter stromab - nach den Zuflüssen aus Mulde und Saale - rechnen die Elbanrainer für die kommenden Tage mit Rekordständen.
HILFEN: Die Bundesregierung kündigte an, neben der Soforthilfe von 100 Millionen Euro ein Kreditpaket der staatlichen Förderbank KfW in gleicher Höhe für Firmen, Kommunen und Privatleute auf den Weg zu bringen. Thüringens Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht (CDU) versprach den Geschädigten im Land 20 Millionen Euro Soforthilfe. Die Kasse der EU für die Flutopfer in Mitteleuropa ist hingegen leer, wie Haushaltskommissars Janusz Lewandowski in Brüssel sagte.
DONAU: Die Hochwasserwelle erreichte in Deggendorf am Mittwochnachmittag ihre Scheitelpunkt. Mehrere Ortschaften in Niederbayern wurden überschwemmt. Teilweise ragten nur noch die Dächer der Anwesen aus der riesigen Wasserfläche. Tausende Menschen mussten ihre Häuser verlassen, manche wurden mit Hubschraubern gerettet. Einige Menschen wollten bleiben, obwohl das Wasser bereits das Erdgeschoss geflutet hatte, wie Thomas Linddörfer von der Wasserrettung in Deggendorf berichtete. „Die Hochwasserlage an der Donau ist weiterhin sehr ernst“, mahnte ein Landkreis-Sprecher. In Passau normalisierte sich die Lage.
SAALE: In Halle stieg die Saale am Pegel Trotha auf ein Rekordhoch von 8,09 Metern, normal sind dort knapp 2 Meter. Zunächst sollten 1000 Hallenser ihre Häuser verlassen, im schlimmsten Fall könnten nach Angaben des Krisenstabs der Landesregierung von Sachsen-Anhalt 30 000 Menschen betroffen sein. 3322 hatten landesweit schon ihre Häuser verlassen. Nach Angaben des Katastrophenstabes wurden Teile der Stadt überflutet. Die Saale ergießt ihr Hochwasser in die Elbe, wo neue Höchststände befürchtet werden.
ELBE: Mühlberg in Brandenburg begann damit, 2500 seiner 4000 Bürger aus der Gefahrenzone zu holen. „Die Sicherheit der Menschen ist nicht mehr zu gewährleisten“, sagte Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD). Der Wasserstand erreichte nach Behördenangaben 9,02 Meter und könnte bis Freitag auf 10,20 Meter steigen - höher als bei der Rekordflut vom August 2002. Die niedersächsischen Landkreise Lüchow-Dannenberg und Lüneburg riefen wie zuvor schon Magdeburg Katastrophenalarm aus. Das schleswig-holsteinische Lauenburg, das an der Elbe kurz vor Hamburg liegt, evakuiert bis 150 Häuser in der Altstadt.
DRESDEN: Mehrere hundert Dresdner wurden vor der Elbeflut in Sicherheit gebracht. Dort stieg das Wasser am Abend auf einen Pegelstand von 8,58 Metern. Auch bei den erwarteten 8,70 Meter bliebe die Elbe nach Angaben der Hydrologen unter den 9,40 Metern im Jahr 2002. „Die Pegelstände werden über einen langen Zeitraum in der höchsten Warnstufe bleiben“, sagte eine Sprecherin des Landeshochwasserzentrums. Basis der Berechnung sind die Werte vom Pegel Usti in Tschechien.
TSCHECHIEN: Die Elbe flutete weite Teile der Industriestadt Usti (Aussig). Ihr Wasser strömte in der Nacht zum Mittwoch schneller als erwartet über die Hochwasserwände im Stadtteil Strekov, wie das tschechische Fernsehen berichtete. Hunderte Menschen kamen in Notunterkünfte. Landesweit hätten mehr als 19 000 Menschen ihre Wohnungen und Häuser verlassen müssen, teilte die Feuerwehr mit. In Prag ließ die Moldau-Flut nach. Das U-Bahnnetz im Zentrum der Millionenstadt blieb aber geschlossen.
CONTAINER: Auf der Elbe wurden zwei treibenden Gastanks aus Tschechien gesichert. Ein dritter Tank war zuvor im tschechischen Hrensko gestoppt worden. Die tonnenschweren Behälter enthielten etwas Stickstoff. Die Flut hatte sie im Hafen von Decin fortgeschwemmt.
SANDSÄCKE: In Dresden halfen viele Freiwillige beim Befüllen von Sandsäcken. Niedersachsen wollte an der Elbe zwei Millionen solcher Säcke zum Schutz der Deiche füllen.
HOCHWASSERSCHUTZ: Bundesumweltminister Peter Altmaier (CDU) will nach der Flut mögliche Versäumnisse beim Hochwasserschutz in den betroffenen Gebieten untersuchen lassen. „Sobald sich das Wasser verlaufen hat, muss es eine umfassende und sehr transparente Fehler- und Schwachstellen-Analyse geben“, sagte Altmaier. Ein neu gebauter Überlauf von der Weißen Elster in den Zwenkauer See bewahrte Leipzig nach Aussage eines Stadt-Sprechers vor dem Schlimmsten. „Ohne das wären wir abgesoffen“, sagte er. Durch den Überlauf flossen 130 Kubikmeter Wasser pro Sekunde in den See.
PORSCHE: Das Leipziger Porsche-Werk stoppt als Folge des Hochwassers an diesem Donnerstag vorübergehend die Produktion. Grund seien Lieferengpässe von Geländewagen-Karosserien aus Bratislava, teilte Porsche am Mittwoch mit. Die Transportzüge könnten das vom Hochwasser schwer betroffene Tschechien nicht passieren. Das Leipziger Werk selbst ist von der Flut nicht betroffen.