Millionen bleiben ohne Impfschutz vor Schweinegrippe
Berlin (dpa). Millionen Bundesbürger werden vorerst ohne Impfschutz vor der immer schneller grassierenden Schweinegrippe bleiben - selbst wenn sie sich impfen lassen wollen. Engpässe bei der Serumlieferung sollen zwar energisch bekämpft werden.
Nicht jeder kann den mittlerweile von vielen begehrten Piekser aber bekommen. Daran lässt Philipp Rösler (FDP) bei seiner ersten Pressekonferenz als Bundesgesundheitsminister keinen Zweifel.
Dabei scheint die Impfmüdigkeit der Bundesbürger angesichts der immer zahlreicheren Krankheitsfälle und der mittlerweile mindestens 13 Toten verflogen. Vor zwei Monaten wollten sich laut Umfragen nur 13 Prozent auf jeden Fall impfen lassen. Seit zwei Wochen nun läuft die Massenimpfung - und viele Impfwillige gehen leer aus.
Die Gesundheitsminister von Bund und Ländern machen bei einem Treffen am Mittwoch Druck auf den Hersteller Glaxosmithkline. Die Druckmöglichkeiten sind jedoch angesichts der Schwierigkeiten in der Produktion begrenzt. Aber schneller soll es schon jetzt gehen: Bis Ende November sollten insgesamt 9,3 Millionen Dosen ausgeteilt sein. Bis Ende des Jahres 20 Millionen. Bis aber die insgesamt bestellten 50 Millionen Dosen des begehrten Serums verteilt sind, dürfte es noch bis März dauern, räumte Rösler ein.
Wie weit die Scheinegrippe-Welle dann ist, kann niemand vorhersagen. Nun ist es laut Rösler wichtig, die Empfehlungen der Impfkommission zu beachten. Im Klartext bedeutet das, dass zunächst Gesunde erstmal weiter weitgehend leer ausgehen sollen. Zunächst müssten Polizisten, Feuerwehrleute und Beschäftigte im Gesundheitswesen geschützt werden, dann oder zugleich chronisch Kranke, weil der Erreger bei ihnen besonders hart zuschlagen kann. "Wichtig ist, dass jetzt nicht jeder sofort zu den Impfstellen rennt", sagt Rösler. Und für Schwangere gibt es jetzt erstmals eine klare Ansage: 150 000 Dosen eines neuen Stoffs ohne Wirkungsverstärker soll es im Dezember geben.
Doch auch das herkömmliche Serum soll geeignet sein - zumindest nach Absprache mit dem Arzt. Hysterie sei unangebracht, versucht die Vorsitzende der Gesundheitsministerkonferenz, Heike Taubert (SPD) aus Thüringen, die Menschen zu beruhigen. Wenigstens die mit der Ausbreitung der Grippe grassierende Verwirrung und Verunsicherung soll ein Ende haben. "Die Menschen haben in den letzten Wochen unterschiedliche, teils widersprüchliche Aussagen bekommen", meint Rösler. Auch wenn jetzt nichts anderes bleibe, als sich entlang der bestehenden Impfpläne entlangzuhangeln: "Wir wollen, dass die Menschen bestmöglich geschützt werden."
Also gilt bis auf Weiteres für die Mehrheit: Immer gut Hände Waschen, wachsam bleiben, aber keine Panikreaktionen zeigen. Dabei prägten Aufwallungen in den vergangenen Tagen das Bild. Beispiel Berlin: In rund 100 Arztpraxen sollte seit Montag geimpft werden - bei vielen gab es aber Fehlanzeige. Der Serumkurier blieb im wegen der Einheitsfeiern stockenden Verkehr stecken, kam außerhalb der Öffnungszeiten zu den Praxen oder lieferte weniger als gebraucht.
Die Kinderärzte der Hauptstadt wollen wenigstens chronisch kranke Kinder in von der Stadt gestellten Räumen impfen - die Behörden prüfen das Angebot noch. Beispiel Frankfurt/Main: Von den Landesbehörden bekamen die Schulleiter den Ratschlag, die Lehrer sollten sich impfen lassen. Die Gesundheitsämter teilten postwendend mit, dafür fehle es an Kapazitäten.
Beispiel Tübingen: Die meisten Praxen führen Wartelisten - Impfstofflieferungen blieben zunächst aus. Angesichts der Schwierigkeiten fragen sich manche, wie sie mit den Aufforderungen der Ärzte umgehen sollen. So sollen laut Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte auch Kinder unter drei Jahren gegen die Neue Grippe geimpft werden. Wenn Eltern von Kindern ohne chronische Leiden beispielsweise in der Hauptstadt aber bei Gesundheitsämtern oder Ärzten fragen, handeln sie sich reihenweise Absagen ein.