Neuer Trend: Künstler entdecken Kirchen

Gerhard Richter, Markus Lüpertz und Neo Rauch sind drei Prominente, die dem Heiligen huldigen.

Düsseldorf. Als es die knallig brüllende Pop Art und rotierende Op Art gab, Action Painting und wüstschöne Grafitti, war es gang und gäbe, die Säkularisierung der Kunst zu beklagen. Doch längst hat sich das Blatt gewendet, und das begann schon mit der aus Italien kommenden Arte povera, der "armen Kunst", die deshalb so heißen wollte, weil sie mit anspruchslosen Materialien arbeitete, um so zu den Sphären der Spiritualität zu gelangen. Doch während die Kirche früher Künstler in gewaltigem Umfange beschäftigte - bedeutendstes Beispiel ist gewiss Michelangelos Sixtinische Kapelle -, war dies lange Zeit nicht mehr der Fall.

Von der künstlerischen und philosophischen Konzeption her ist zweifellos Gerhard Richters Werk das überzeugendste. Es hat, angefangen mit Kardinal Meisners äußerst unglücklichen Vorwürfen, Widerstand gegen Richters gestrenge Abstraktion gegeben, da sie so gar keine unmittelbare Assoziation an das Heilige zulasse. Fürsprecher erinnerten an das Gebot: "Du sollst dir kein Bildnis machen."

Aber sowohl das eine wie das andere trifft nicht den Kern. Richter ge³ht es zwar um das Unsichtbare, das niemals greifbare und schon gar nicht darstellbare Göttliche, doch in welcher Gestalt ist es wohl dennoch vorhanden und darstellbar? Im Licht. Und wie materialisiert sich das Licht? In der Farbe. Wer das Fenster bei verschiedenen Wetterbedingungen sieht, dem werden auch die unterschiedlichsten Offenbarungen zuteil. Und gerade deshalb gehört dieses Fenster wie kein anderes Kunstwerk in diesen hohen, heiligen Dom, der in seiner gesamten Architektur emporstrebt. In der Stadt, in der eine Edith Stein gelebt hat, ist dieses Fenster ein Wahrzeichen und eine Verkörperung luzider Spiritualität.

Markus Lüpertz überrascht mit einer Stilistik, die man weder mit seinen wilden Gemälden, schon gar nicht mit seinen drallen Skulpturen verbindet: Sie mischt Gegenständliches mit Abstraktem und ausmalendem Ornament. Seine Themen sind die Geschichte der Schöpfung, das Martyrium des Heiligen Andreas, aus dem Alten Testament das Martyrium der Machabäer und die Philosophie des Albertus Magnus. Glasfenster seien für ihn das "Tor zum Himmel", sagte er. Lüpertz hat innige Worte für sein Werk gefunden, es war ihm das Herzensanliegen seiner neu entdeckten und erwachten Religiosität.

Neo Rauch schließlich, der prominenteste und provokante Vertreter der Leipziger Schule, hat die Gegenständlichkeit eines Rink und die Abstraktion Bernhard Heisigs zu einer Art postsozialistischem Realismus-Pop weiterentwickelt. Bei Neo Rauch fetzt und flammt ja stets die gesamte Bildlandschaft, wie seine Werke stets die reinsten Knaller und deshalb bei Kunstsammlern heute so beliebt sind. Die Heilige Elisabeth trägt Schnürstiefel, ihr als Kreuzfahrer davon stürmender Gatte scheint sich eher in die Disco oder wahlweise zur Arbeitslosenhilfe abzusetzen. Und wenn sie Kranke pflegt, wallen die Haare wild.

Gerhard Richter Geboren1932 ist aus der evangelischen Kirche ausgetreten und bezeichnet sich als Agnostiker (philosophische Lehre, die das übersinnliche Sein für unerkennbar hält).

Markus Lüpertz Geboren 1941, ist zum Katholizismus konvertiert.

Neo Rauch Geboren 1960 gehört keiner Konfession an. Geistig ist seine Heimat der Pantheismus (Weltanschauung, nach der Gott und Welt eins sind).