Olaf Teubert: Seine große Liebe heißt 01150
Olaf Teubert ist Lokomotivführer im Ruhestand. „Leider“, sagt der 72-Jährige und kämpft mit großer Leidenschaft für die Restaurierung einer 73 Jahre alten Dampflok.
Düsseldorf. Olaf Teubert ist verliebt. Schwer verliebt. Denn sein Schwarm wiegt 172 Tonnen, ist 24 Meter lang und 4,55 Meter hoch. Das hört sich nicht gerade nach einer verführerischen jungen Frau an. Ist es auch nicht - die Rede ist von einer "alten Dame" mit der Nummer 01150. Der 72-jährige Teubert schwärmt von einer alten Dampflok, die 1935 in Kassel gebaut worden ist. "Die Lok ist unglaublich schön. Die Kraft der Maschinen und das schwere Metall - das fasziniert mich", sagt der ehemalige Lokführer.
Eigentlich müsste er in der Vergangenheit sprechen, denn die 01150 ist derzeit alles andere als schön. Bei einem verheerenden Brand im Nürnberger Eisenbahnmuseum wurde die Lok schwer beschädigt. So schwer, das eine Restaurierung 495 000 Euro verschlingen würde. "Das tut mir in der alten Lokführerseele weh", gesteht der Bielefelder.
Und deshalb setzt er sich mit großer Leidenschaft für die Reparatur des guten Stücks ein. Eine Versicherung würde 365 000 Euro der Kosten übernehmen, von den fehlenden 130 000 hat Teubert schon 100 000 Euro über Spenden zusammen bekommen.
Teubert schreibt Briefe, ruft bei potenziellen Sponsoren an und macht Werbung für die Lok. Mit der gleichen Leidenschaft ist er 50 Jahre und fünf Monate lang dem Dienst auf den Lokomotiven der Republik nachgegangen. "In all den Jahren war ich nur 29 Tage krank. Für mich gab es nichts Schöneres, als vorne in der Lok zu stehen", schwärmt der Pensionär.
Nie vergessen wird er ein Gespräch mit seiner Tochter, als sie noch klein war: "Das war Heiligabend und ich musste um 19 Uhr zum Dienst", erinnert sich der zweifache Vater. "Da fragte meine Tochter, ob ich denn jetzt gerne arbeiten gehen würde - ausgerechnet am Weihnachtsabend." Auf Vaters spontanes "Ja, klar" erwiderte die Kleine nur: "Mama, der Papa ist verrückt!"
Da ist wohl was dran: Teubert ist verrückt nach der Eisenbahntechnik. Gleich nach der Schule begann er 1950 in Leipzig als Lehrling bei der Eisenbahn. Danach sollte es zur Eisenbahnfachschule nach Dresden gehen. "Die DDR wollte aber, dass ich zuerst zur Armee gehe", erzählt der Eisenbahn-Fan.
"Das passte mir aber nicht und überhaupt passte meine politische Einstellung nicht zur DDR." So entschloss sich der junge Mann 1955 in den Westen zu gehen - genauer gesagt nach Bielefeld, wo bereits Verwandte von ihm lebten. "Vor dem Bau der Mauer konnte man ja noch relativ unproblematisch ausreisen", ergänzt Teubert.
1956 begann er mit der Lokführerausbildung bei der Bundesbahn. "Zunächst bin ich dann auf der Dampflok als Heizer mitgefahren. Das waren harte Lehrjahre", sagt der Eisenbahner. Für eine Fahrt von Bielefeld nach Braunschweig waren mehr als sieben Tonnen Kohle nötig. "Die schaufelt man nicht mal so eben weg."
Nach einigen Jahren aber schlug Olaf Teuberts große Stunde: "Da durfte ich endlich auf die rechte Seite wechseln." Auf der Dampflok steht der Lokführer nämlich rechts und der Heizer links. "Das waren eigentlich meine schönsten Berufsjahre. Es ist ein tolles Gefühl, eine solche Maschine zu bewegen", schwärmt der Eisenbahn-Fan.
Auch wenn bei Gütertransporten 32-Stunden-Dienste keine Seltenheit waren. "Das würde heute kein junger Kollege mitmachen", sagt Teubert, der zum Lokführerstreik im vergangenen Jahr seine eigene Meinung hat: "Ich wäre wohl ein Streikbrecher gewesen. Ich bin und bleibe halt Idealist."
In den 70er-Jahren raste die Epoche der Dampflok ihrem Ende entgegen - 1977 stellte die Bahn komplett auf die Elektrotechnik um. Im Elektrozeitalter erfüllte sich der gebürtige Leipziger noch einen Traum: "1993, nach der Wende, habe ich einen Interregio nach Leipzig gefahren. Als der Zug in den Bahnhof einfuhr, schien es mir, als würde mein Name über den Lautsprecher durchgesagt werden", erzählt er sichtlich gerührt. Teubert war zurück in seiner Heimat.
Heimisch fühlt sich der 72-Jährige seit Jahrzehnten in Bielefeld, wo er mit seiner Frau lebt. Die Kinder sind längst aus dem Haus. Seine Tochter ist Lehrerin, sein Sohn reist als Steward einer Fluggesellschaft durch die Weltgeschichte. Genug Zeit, um seit 2001 seinen wohlverdienten Ruhestand zu genießen.
"Ja, eigentlich schon", ergänzt der Pensionär "ich wohne aber nur wenige hundert Meter vom Bielefelder Eisenbahnwerk entfernt. Ab und zu schaue ich da nochmal vorbei." Ab und zu? "Genauer gesagt dreimal in der Woche", gibt Teubert zu. Dort tauscht er sich mit alten Kollegen aus. "Wenn Loks zur Reparatur kommen, helfe ich auch noch mit." Ehrenamtlich natürlich.
Und dann ist da ja noch seine große Liebe: die 01150. "Auch wenn meine Frau an erster Stelle steht, um die Lok muss ich mich kümmern", sagt der Bielefelder. Sein Traum ist, dass er zum 175-jährigen Bahnjubiläum im Jahre 2010 ein paar Runden auf der 01150 drehen kann. So wie er es schon 1985 zum 150-Jährigen gemacht hat. Und so wie die Lok 1935 zum 100. Geburtstag der Bahn - damals noch ohne Teubert - als fabrikneue Schnellzuglok gefeiert wurde.
"Wenn das mit 2010 klappt, dann wäre sie die einzige Lok, die alle drei Jubiläen mitgemacht hat. Und das würde ihr so schnell auch keine nachmachen", ist sich Teubert sicher. "Nach 38 Jahren Dienst und vier Millionen Kilometern Laufleistung hätte sie diesen Rekord verdient."