Olympia: Sängerin war nicht süß genug
Das singende Mädchen bei der Eröffnung bewegte nur die Lippen – und wird zum Kinderstar. Die wahre Sängerin hat das Nachsehen.
Peking. So ein herziger Auftritt: Bei der Eröffnungszeremonie der Olympischen Spiele am Freitag trug die neunjährige Lin Miaoke mit strahlendem Lächeln das "Lied für das Vaterland" vor. Vier Milliarden Menschen sahen ihren Auftritt, auch in den Zusammenfassungen wurde die Szene immer wieder gern gezeigt.
Doch die niedliche Show war eine Täuschung. Musikdirektor Chen Qigang gab gestern im Staatsfernsehen CCTV zu, dass Lin Miaoke lediglich die Lippen bewegt hat. Sie kam nur wegen ihres Aussehens zum großen Auftritt - und ist mit dem Lied in China mittlerweile schon zum Kinderstar aufgestiegen. Das Nachsehen hat die zehnjährige Yang Peiyi. Sie hat das Lied tatsächlich mit glockenklarer Stimme gesungen.
Ein Mitglied des Politbüros fand sie aber nicht süß genug, weil sie ein bisschen moppelig ist und schiefe Zähne hat. "Wir wollten das perfekte Image bieten", sagte Chen Qigang. "Das war eine Frage von nationalem Interesse. Das Kind musste gut vor der Kamera aussehen."
Bei den Proben ist laut Chen immer Yang Peiyi aufgetreten. Doch Starregisseur Zhang Yimou war nicht zufrieden, weil die Zehnjährige ein bisschen zu alt gewirkt habe. Letztendlich habe sich gar ein Mitglied des Politbüros eingeschaltet: "Es muss gewechselt werden." Welcher Funktionär das Mädchen wegen mangelnder Lieblichkeit aussortiert hat, ist unklar.
Das ist nicht die einzige Manipulation der Olympia-Funktionäre. Weil es in den Stadien oft wenig stimmungsvoll zugeht und die Zuschauerränge nur halb gefüllt sind - beispielsweise hinter den Schwimmern, Turnern und deutschen Basketballern -, setzen sie nun die Massen in Bewegung.
Bei den in gelbe Hemden gekleideten Gruppen handle es sich um Olympia-Freiwillige, sagte Wang Wei, Vizepräsident des chinesischen Organisationskomitees, am Dienstag. "Sie sollen beiden Seiten applaudieren, um eine gute Stimmung zu schaffen." Im Hockeystadion werden leere Plätze von Arbeitern besetzt, die T-Shirts mit der Aufschrift "Cheering from Beijing Workers" (Jubel von Pekinger Arbeitern) tragen.
Wenn allerdings doch noch jemand kommt, der für seine Karte bezahlt hat, müssen die bestellten Beifallklatscher gehen. Wang Wei weiß, woher die leeren Ränge kommen. Manche Sitze seien für die Funktionäre reserviert: "In den Vorkämpfen bleiben manche Leute fern, das ist verständlich."
Die Olympia-Organisatoren wollen die Zugangsbeschränkungen für das bisher strikt abgeriegelte Olympia-Gelände nun leicht lockern. An freien Zugang ist aber nicht gedacht. Ausländische Touristen und Chinesen sollen Zugangskarten kaufen können. Wang musste zugleich einräumen, dass Schwarzhändler vor dem Olympia-Gelände bereits überteuerte Karten anbieten.