Organspende-Skandal: Möglicherweise mehr Fälle
Göttingen (dpa) - Im Göttinger Organspende-Skandal gibt es möglicherweise mehr Fälle als bislang angenommen. Eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft Braunschweig bestätigte am Sonntag einen Bericht des Magazins „Der Spiegel“, wonach es bei rund 60 Transplantationen Unregelmäßigkeiten gegeben haben soll.
Die Behörde ermittelt derzeit allerdings nach wie vor offiziell nur in elf Fällen. Bei den übrigen sei noch unklar, ob es sich um Straftaten handele, sagte die Sprecherin. Der beschuldigte Göttinger Arzt sitzt seit Freitag in Untersuchungshaft.
Die insgesamt rund 60 Fälle ergeben sich laut „Spiegel“ aus einer Auswertung der Bundesärztekammer. Demnach habe es bei diesen Patienten Manipulationen, falsch gestellte Indikationen oder Verstöße gegen die Richtlinien gegeben. Ob diese strafrechtlich relevant sind, sei noch unklar.
Dem Mediziner wird vorgeworfen, dass er Unterlagen so manipuliert hat, dass eigene Patienten auf der Warteliste nach oben rutschten und dadurch schneller eine Spenderleber bekamen. Andere lebensbedrohlich erkrankte Patienten haben den Angaben zufolge dadurch kein Organ erhalten. Sie seien deshalb möglicherweise gestorben. Dies habe der Arzt laut Staatsanwaltschaft zumindest billigend in Kauf genommen.
Die Staatsanwaltschaft ermittelt daher wegen versuchten Totschlags in neun Fällen. In zwei Fällen soll der Mann zudem Patienten eine Leber eingepflanzt haben, obwohl dies medizinisch noch gar nicht notwendig war. In einem Fall starb der Patient direkt nach dem Eingriff, in einem weiteren mit Verzögerung, hieß es. In diesen Fällen wirft die Staatsanwaltschaft ihm Körperverletzung mit Todesfolge beziehungsweise schwere Körperverletzung vor.
Warum der Arzt sogar neue Lebern transplantierte, obwohl die Patienten diese gar nicht benötigten, sei den Ermittlern schleierhaft, so die Behördensprecherin. „Das ist die Frage, die uns alle bewegt.“