Pauken für eine Stelle als Imam
In Tübingen werden Muslime am ersten Zentrum für Islamische Theologie ausgebildet. Sie sollen die Integration fördern.
Tübingen. Die ersten Schritte der islamischen Theologie an deutschen Hochschulen sind improvisiert. Es gibt einen kleinen Tübinger Seminarraum, als Bibliothek dient die private Büchersammlung des Professors, und der geplante Gebetsraum ist noch im Bau. Die 35 Studenten am bundesweit ersten Zentrum für Islamische Theologie stört das nicht. „Viele sind froh, dass wir jetzt überhaupt hier Theologie studieren können“, erzählt Studentin Farina Stockamp.
Die Politik hofft, dass die jungen Muslime in einigen Jahren zu Schlüsselfiguren der Integration werden. Doch Kritiker haben die Sorge, dass die Islam-Zentren auch zum Einfallstor für konservative Glaubenslehrer an deutschen Unis werden könnten.
Wenn einige der Tübinger Studenten in ein paar Jahren eine Stelle als Imam antreten, dann werden sie die ersten Vorbeter sein, die in Deutschland ausgebildet wurden. Integrationspolitiker sind überzeugt, dass damit viel für die Integration der vier Millionen Muslime in Deutschland getan wäre. Denn bislang kommen die Imame meist aus der Türkei, sprechen kein Deutsch und kennen die westeuropäische Kultur nicht. Insgesamt vier Islam-Zentren entstehen deshalb an deutschen Hochschulen. Tübingen ist Vorreiter.
Im ersten Semester steht für die Studenten Arabisch auf dem Plan, aber auch Einführungen in die Islamische Theologie und in die Geschichte. Die Atmosphäre sei offen: „Wir haben oft spannende Diskussionen, wenn wir unterschiedlicher Meinung sind“, erzählt Stockamp. Befürchtungen, dass islamische Traditionen mehr gelten könnten als wissenschaftliche Freiheit hält sie für unbegründet: „Jeder kann seine Meinung sagen, sofern er sie begründen kann.“
Dabei hat gerade der bislang einzige Professor des Zentrums, Omar Hamdan, mit seinem wissenschaftlichen Ansatz Kritik hervorgerufen. In Interviews hatte Hamdan betont, die Islamische Theologie werde nicht infrage stellen, dass Gott selbst der Verfasser des Korans ist. Doch Kritiker fordern eben diese Distanz.
Es bestehe die Gefahr, dass sich eine „unkritische Islamische Theologie“ an deutschen Universitäten etabliere, fürchtet Friedmann Eißler, Islam-Experte der Evangelischen Zentralstelle für Weltanschauungsfragen, in Berlin. „Auch ein christlicher Theologe glaubt, dass die Bibel Gottes Wort ist.“ Aber die christliche Theologie erkenne an, dass biblische Texte eben auch ein Produkt ihrer Zeit seien. „Dieses Wissenschaftsverständnis fehlt der Islamischen Theologie, wenn sie den Koran sozusagen über die Geschichte hebt und als absolut gegebenes Wort Gottes betrachtet.“
Bildungsministerin Annette Schavan (CDU) betont, sie bringe dem Islam-Zentrum großes Vertrauen entgegen. Aber auch sie hatte zuletzt die Erwartung geäußert, dass sich in der islamischen Theologie eine historisch-kritische Methode im Umgang mit dem Koran entwickelt. „Wir wollen mit der großen Erfahrung, die wir an deutschen Unis mit der Theologie haben, auch einen Beitrag zur Weiterentwicklung der Islamischen Theologie leisten.“