Peter Licht: Der Künstler ohne Gesicht
Porträt: Der Kölner Autor und Musiker lässt die Welt über seine Person im Dunkeln. Eine Begegnung mit einem Phantom.
Köln. Peter Licht war 30 Jahre, als er zum Phantom wurde. Vielleicht aber auch 32 oder 25, denn sein Alter verrät er nicht. Und eigentlich wurde er auch nicht zum Phantom, sondern es war immer schon da, irgendwie. Das behauptet der Autor und Musiker jedenfalls. Alles ist relativ, diese Maxime gilt für Lichts Sprechweise ebenso wie für sein Werk.
Auf die Spitze getrieben hat er es in dem genialen Text "Die Geschichte meiner Einschätzung am Anfang des dritten Jahrhunderts", den er beim diesjährigen Wettlesen um den Bachmannpreis in Klagenfurt vorstellte. Eine Feierabendidylle auf dem Sofa schlägt darin in ein Weltuntergangs-Szenario um. Lichts Witz brachte ihm den Publikumspreis ein - und das, obwohl er nur seinen Rücken zeigte. Es ist Lichts Markenzeichen, seine Person im Dunkeln zu lassen. In dem Video zu seinem Hit "Sonnendeck" ist sein Alter Ego ein blauer Bürostuhl. Später mimte ihn ein Kartoffelmännchen, bei Konzerten tritt er hinter Bettlaken auf. Bei Harald Schmidt zeigte Licht nur seinen Körper bis unters Kinn. Die Presse spekulierte sich in Rage: Er sei Werbetexter, ein Inder, womöglich gar verunstaltet. Der Spiegel nannte ihn "das Phantom der Popper".
So wird ein Treffen in einem kitschigen Kölner Kuchencafé zur Geheimmission. "Du erkennst mich daran, dass ich der einzige Gast bin, der keine Oma ist", sagt Licht am Telefon. Ein Mann mit hellblonden Haaren betritt das Café, legere Popperkleidung. Sein Haar ist etwas gelichtet und verweht wie bei Einstein, dazu Kotelletten. In einer Menschenmenge fiele er nicht besonders auf. Seine blauen, intelligenten Augen hinter einer grauen Pilotenbrille durchbohren das Gegenüber. Drum herum Lachfalten. Doch sobald Licht auf eine Frage antworten muss, ist er auf der Hut, denn es gilt seinen Phantomstatus zu bewahren. Kein Wort zu Ausbildung und Herkunft. Stattdessen nur ein knappes, störrisches "Ja".
Licht lässt zwischen den Wörtern lange Pausen. Weil er nichts Banales sagen will. Auf die Frage "Was bedeutet Licht für Sie?" sagt er in langen Abständen und mit leiser Stimme: "Was Schönes, ein guter Begriff, Licht, Licht, Licht, da denkt man sofort an die Frau von Helmut Kohl, eigentlich ist Licht was Schönes, es gibt aber auch den Lob des Schattens."
Manchmal überlegt er so lange, dass man schon vier andere Fragen gestellt hat, bevor man eine Antwort auf die erste bekommt. Licht spricht nicht in vollständigen Sätzen, aber das muss bei einem Genie wohl so sein. Der Künstler blickt im Raum herum. Dabei scheint es, als verliere sich sein Blick in den eigenen Gehirnwindungen. Die müssen ziemlich verworren sein.
Sein "Buch vom Ende des Kapitalismus" gleicht einem Notizbuch mit einem kryptischen Traumwirrwarr aus bizarren Sinnsprüchen. Schon der erste Satz sprüht vor Witz: "Das dritte Jahrtausend begann damit, dass ich vergeblich meine Unterhose suchte." Licht bleibt immer Poet, etwa bei der wunderbaren Beschreibung, wie ihm ein Panther mit seiner warmen Zunge die Hand leckt.
Manchmal nervt es den Kölner, jedem zu erklären, warum er sein Gesicht nicht zeigt. "Ich finde die Vorstellung einfach körperlich unangenehm, dass ich in diesem Mechanismus von Bild und Abbild gefangen bin", sagt er nebulös. Wenn man ihn damit konfrontiert, dass er seine Person gerade durch die Verweigerungshaltung in den Mittelpunkt stellt, gibt er unumwunden zu: "Ja, deshalb ist dieses Projekt auch gescheitert." Dennoch hält er daran fest, zumindest vorläufig. Trifft ihn der Vorwurf, er wolle sich nur wichtig machen? "Ja klar, es trifft einen, es ist einem aber auch völlig egal." Da ist sie wieder, die ständige Relativierung der eigenen Aussage.
Phantome können übrigens auch selbstironisch sein. Sein Berufsbild beschreibt Licht so: "Der Künstler kann gestört sein bis zum Anschlag und der Rest lohnt es ihm mit Beachtung."