Polizei holt Gangster vom Rad
Der Mörder strampelte nichts ahnend über das platte Land. Er leistete keinen Widerstand.
Schermbeck. Seine letzten Meter in Freiheit hat der Mörder Peter Paul Michalski auf der tristen Bundesstraße 58 auf einem silbernen Damenfahrrad verbracht. Zwischen dem Ruhrgebiet und den Niederlanden strampelte der Ausbrecher mitsamt Schlafsack und wegen der Kälte dick vermummt durch die platte Landschaft mit unbekanntem Ziel. Michalski ahnte nicht, dass ein Sondereinsatzkommando ihn bereits erwartete.
Auf freier Strecke - das nächste Haus liegt mehr als 150 Meter entfernt - holt die Spezialeinheit den gefährlichen Ausbrecher nach 110 Stunden in Freiheit vom Rad. Er ist bewaffnet, aber anscheinend völlig überrumpelt. Die Aktion verläuft blitzschnell und unblutig.
Niemand wird verletzt. Bereitwillig folgt der verurteilte Mörder den Anweisungen des Spezialeinsatzkommandos, legt sich auf den Boden und zeigt den Polizisten, wo an seinem Körper er seine durchgeladene Pistole trägt.
Stunden später zeigt sich Einsatzleiter Dieter Klinger in Köln sehr erleichtert. Michalskis Komplizen, den Geiselgangster Michael Heckhoff, hatten die Fahnder bereits am Sonntag in Mülheim an der Ruhr geschnappt. Mehrere Hundertschaften und Spürhunde suchten Michalski dann im Raum Bielefeld - doch dort ist er gar nicht gewesen.
"Heute Morgen hat sich dann eine neue Spur ergeben, und über technische Ermittlungsverfahren haben wir seinen Standort lokalisiert", sagt Klinger zu den Umständen der Festnahme. Letztlich konnte Michalski über ein Handy geortet werden. Woher Michalski das Mobiltelefon hatte, will der Einsatzleiter nicht verraten.
Was bestätigt wird: Um 9.50 Uhr am Morgen greifen die Beamten blitzschnell zu. Noch Stunden später markiert ein großes Polizeiaufgebot die Stelle, an der die spektakuläre Flucht des gefährlichen Gangsters nach fünf Tagen endete. Beamte notieren seelenruhig die Rahmennummer des Kettler Alu-Rades, um seine Besitzerin zu ermitteln.
Die Anwohner haben gar nichts mitbekommen oder verstecken sich hinter ihren Gardinen. "Hier?", ruft eine Frau erschrocken, als Reporter ihr von der Festnahme erzählen. "Hier schließt doch keiner Haustür oder Auto ab." Wohin Michalski wollte, ist zunächst unklar. "Er soll jetzt vernommen werden", so Polizeisprecher Christoph Gilles.
Der Ort der Festnahme scheint sorgfältig ausgewählt. Kein Wald, keine Wohnbebauung, freies Feld und wenige Büsche ohne Blätter machen jeden Fluchtversuch von vornherein aussichtslos. Wie viele Beamte bei der Festnahme im Einsatz waren, will die Polizei nicht sagen. Man habe hunderte Hinweise aus der Bevölkerung Tag und Nacht akribisch ausgewertet und sei Michalski schließlich auf die Spur gekommen, berichtet Gilles.
In Anstaltskleidung sei der Ausbrecher jedenfalls nicht mehr unterwegs gewesen. Schon in Mülheim hatte die Polizei eine Tasche mit getragener Kleidung in dem Hochhaus entdeckt, in dem Michalski mit seinem Komplizen Michael Heckhoff zusammen war.
Wie der 46-Jährige von Mülheim in den Kreis Wesel gelangte, ist unklar - ebenso, wo er sich das Fahrrad beschafft hat. Bei der Polizei schweigt Michalski zunächst zu Flucht und Festnahme. Er wird in den Hochsicherheitstrakt der JVA Bielefeld verlegt. Sein Kumpel Heckhoff sitzt in Bochum ein.
Die beiden Verbrecher sollen nicht noch einmal die Gelegenheit bekommen, gemeinsam etwas auszuhecken. "Ich halte es für ausgesprochen unwahrscheinlich, dass die beiden sich außer bei einer Hauptverhandlung noch einmal wiedersehen", sagt der Aachener Oberstaatsanwalt Robert Deller.