„Wink mal, damit die sehen, dass wir weg sind“

Geiselgangster Michael Heckhoff erzählt seine Version von Ausbruch und Flucht.

Aachen. "Die Waffe haben wir im Knast von einem Mitarbeiter gekauft!" Die "Bild"-Zeitung zitiert in ihrer Ausgabe am Dienstag in einem angeblichen Interview den Geiselgangster Michael Heckhoff (50) mit Einzelheiten über den Ausbruch aus der Aachener JVA. Er sei getürmt, so erzählt der Schwerverbrecher, weil die Gefängnis-Chefin ihn schlecht behandelt habe. "Ich möchte eher tot sein, als noch einmal in diesen verlogenen Knast zu kommen." JVA-Leiterin Reina Blikslager sagte dazu, Häftlinge seien selten für ihre Wahrheitsliebe bekannt.

Nach eigenen Angaben liegt "Bild" ein vom Anwalt autorisiertes Interview mit Heckhoff vor. Dem widersprach NRW-Justizministerin Roswitha Müller-Piepenkötter (CDU): "Es hat kein Interview gegeben." Vielmehr handele es sich wohl um illegal weitergegebene Aussagen aus einem Vernehmungsprotokoll, die aber nicht mit den polizeilichen Ermittlungserkenntnissen übereinstimmten.

So sei es nach Einschätzung ihrer Sicherheitsexperten nicht möglich, Gefängnisschlüssel auf einem Kopierer zu kopieren und nachzumachen. Das nämlich behauptet der 50-jährige Ausbrecher: "Ich hab von einem Wärter den Schlüssel bekommen und auf den Kopierer gelegt. Nach dem Muster hat Paul in der Schlosserei einen Schlüssel gemacht."

Gegen die Darstellung in der "Bild" sprechen auch die internen Überwachungsvideos aus der JVA Aachen. Sie zeigen, wie in der Zeit zwischen 19.56 und 20.03 Uhr Heckhoff, Michalski und der Justizbedienstete im Treppenhaus gemeinsam durch eine Tür gehen. "Dabei ist keine Bedrohungssituation für den Bediensteten zu erkennen", sagte die Ministerin.

Zweifelhaft ist auch die angebliche Aussage Heckhoffs: "Dem Pförtner haben wir klar gemacht, dass ihm nichts anderes übrig bleibt, als uns die Tür aufzumachen, weil wir seinen Kollegen haben. Wir haben ihn gezwungen, uns zwei Dienstwaffen und Handschellen zu geben." Sie hätten dann den Mann gefesselt. Vor der JVA habe er angesichts der Überwachungskameras zu seinem Komplizen Michalski gesagt: "Wink’ mal, damit die sehen, dass wir weg sind."

Zufällig habe vor der JVA ein Taxi angehalten, das gerade einen anderen Häftling aus dem Hafturlaub zurückbrachte. Nach einem Zwischenstopp in "irgendeinem Kaff" sei es weiter nach Köln gegangen. Auf dem Weihnachtsmarkt habe es Pommes gegeben.

Nach einer Nacht unter einer Brücke seien sie in ein Krankenhaus gegangen, zum Waschen und Frühstücken. "Der Paul hat bezahlt. Ich hatte ja noch nie den Euro gesehen." Auf der Straße habe Michalski ein Mädchen angesprochen. Mit deren altem Auto seien sie nach Essen gefahren. Dort sei der Tank leer gewesen. Michalski habe der Schülerin deshalb zehn Euro gegeben.

Am Baldeneysee wären sie beinahe SEK-Beamten in die Arme gelaufen. Nach der Nacht in einem Schrebergarten seien sie in eine Villa eines Ehepaares eingedrungen. "Wir haben denen klar gemacht, dass sie keine Angst vor uns haben müssen", so Heckhoff. Sie hätten geduscht und ferngesehen, man habe sich gut unterhalten. "Der Mann hat uns auch noch was gekocht."

Am nächsten Morgen hätten sie dem Ehepaar 200 Euro abgenommen und seien mit ihnen in deren BMW losgefahren. Der Wagen wurde Heckhoff zum Verhängnis. Nach der Nacht in einem Hochhaus in Mülheim habe er nach dem abgestellten BMW schauen wollen. Doch die Polizei sei schon da gewesen. Michalski sei losgelaufen, er ausgerutscht und hingefallen - und wurde verhaftet. mhs/hk