Prag bringt Mikronesien auf die Palme

Tschechien baut ein Kohlekraftwerk aus und stößt damit auf Kritik im Inselstaat. Der fürchtet, in den Fluten zu versinken.

Prag. Klimaschutz global: Tschechien und die Föderierten Staaten von Mikronesien, eine Inselgruppe im Westpazifik, haben an sich wenig politische Berührungspunkte. 13.000 Kilometer Luftlinie liegen zwischen den zwei Staaten, gegenseitige diplomatische Vertretungen gibt es nicht. Doch der Ausbau des Kohlekraftwerks Prunerov (Brunnersdorf) am Fuße des Erzgebirges beschäftigt nun die Umweltministerien.

Denn Mikronesien will Tschechien dazu bewegen, beim Ausbau modernere Technik als geplant einzusetzen. Das Umweltministerium in Prag wurde aufgefordert, während der Umweltverträglichkeitsprüfung darauf hinzuwirken, den Ausstoß von Kohlendioxid (CO2) zu minimieren.

Möglich wurde der Vorgang dadurch, dass bei Umweltverträglichkeitsprüfungen auch Einwände aus dem Ausland berücksichtigt werden sollen. Mikronesien hat Angst davor, wegen des klimabedingten Anstiegs des Meeresspiegels in den Fluten zu versinken.

"Unseres Wissens nach ist es das erste Mal, dass ein vom Klimawandel schwer bedrohter und weit von der Emissionsquelle entfernter Staat den grenzübergreifenden Prozess aufgreift, um seine Befürchtungen zu unterstreichen", lobt die Umweltorganisation Greenpeace den Vorstoß, an dem sie selbst mitgewirkt hat. "Greenpeace hat Mikronesien natürlich mit Informationen versorgt", sagt der mit dem Fall Prunerov vertraute Greenpeace-Mitarbeiter Ben Jasper in Prag.

In Tschechien ist man zwar bereits an Proteste aus den Nachbarstaaten Deutschland und Österreich gewohnt, wenn es etwa um Umweltverträglichkeitsprüfungen für Atomkraftwerke oder Fernstraßen geht - aber Mikronesien? "Damit hatten wir nicht gerechnet", räumt das Prager Umweltministerium ein. Der Einwand des Inselstaates solle in die für die nächsten Wochen erwartete Entscheidung zu Prunerov mit einfließen, sagt eine Sprecherin des Umweltministeriums.

Die umstrittene Prunerov-Anlage ist das größte Kraftwerk für fossile Brennstoffe in Tschechien, betrieben durch den börsennotierten Energiekonzern CEZ, einem Branchenriesen in Ostmitteleuropa. Bisher hatte CEZ, dessen Aktienmehrheit im tschechischen Staatsbesitz liegt, auf ein reibungsloses Genehmigungsverfahren für den Ausbau gehofft - schließlich war im Antrag der Umweltaspekt sogar betont worden, von rund drei Millionen Tonnen weniger CO2-Ausstoß jährlich als bisher war die Rede.

Nach Berechnungen von Greenpeace aber könnte die Effizienz von Pruchnov noch um etwa vier Prozentpunkte gesteigert werden, "das macht über die Kraftwerkslaufzeit zwölf Millionen Tonnen CO2 aus", sagt Jan Rovensky von der Prager Greenpeace-Filiale. Von neun Millionen Tonnen möglicher CO2-Einsparung über 25 Jahre spricht das Umweltministerium Mikronesiens in seiner Stellungnahme, in der es den Einsatz modernster Technik fordert. CEZ sieht hingegen bislang keinen Spielraum für noch mehr Emissionsschutz.

Experten nennen die Initiative einen internationalen Präzedenzfall. "Dieses einzelne Werk stößt etwa 40-mal mehr CO2 aus als die Föderierten Staaten von Mikronesien zusammen", beschreibt das Umweltministerium aus Palikir, der weit entfernten Hauptstadt im Pazifik, seine Sorgen.