Prozess: Erol P. fühlte sich wie ein Gott
Wegen Doppelmordes an seiner Frau und seiner Tochter muss der Gladbacher Türke lebenslang hinter Gitter. Das Mordmotiv laut Gericht: Sie verletzten seinen Machtanspruch.
Mönchengladbach. Der Mönchengladbacher Erol P. muss für immer ins Gefängnis. Das Landgericht Mönchengladbach hat ihn gestern wegen zweifachen Mordes zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt. Der Türke habe im vergangenen Juli seine Ehefrau und seine Tochter vor den Augen der anderen beiden Kinder regelrecht hingerichtet, sagte der Richter. Und er erkannte zudem eine besondere Schwere der Schuld. Zudem verurteilte das Gericht ihn wegen der Vergewaltigung seiner Schwägerin.
Während Erol P. die Morde gestanden hatte, war die Frage der Vergewaltigung bis zum Ende des Prozesses offen. Und sie war entscheidend dafür, dass der Richter die Sicherungsverwahrung anordnete. Das bedeutet, dass Erol P. nach Haftverbüßung nicht frei kommt. Das ist die schärfste Strafe in Deutschland. Es sei wahrscheinlich, dass es nach einer Entlassung wieder zu sexuellen Übergriffen und Gewalthandlungen käme, so der Richter. Erol P. ist jetzt zwar für immer hinter Gittern, doch die Familien von Täter und Opfer könnten die Fehde weiter austragen.
Das Gericht war bis auf den letzten Platz besetzt, viele Zuschauer waren Türken. "Die Familie des Angeklagten war sehr präsent während der Verhandlung", sagte Gülsen Celebi, Anwältin der Nebenklage. Sie vertritt das Vergewaltigungsopfer und die Kinder von Erol P. "Meine Mandantin wurde während des Verfahrens beleidigt und beschuldigt." Die beiden Kinder von Erol P., die überlebten, sind an einem geheimen Ort untergebracht. "Die Geschwister sind in Gefahr. Wir hoffen, dass jetzt nichts weiter passiert", sagte Celebi.
Erol P. würdigte während des Urteils die Familie seiner Frau, die Nebenklage und die Richter keines Blickes. Der 39-Jährige kauerte in sich zusammengesunken zwischen zwei Polizisten. Ohne Regung nahm er das Urteil auf. Es sei nicht so ausgefallen, wie er es sich erhofft hatte, sagte sein Verteidiger Rainer Pohlken nach dem Prozess. Und fügte hinzu: "Es wird in ihm brodeln."
Das würde zu dem Bild passen, dass der Richter von Erol P. zeichnete: Er habe sich als Herrscher der Familie gefühlt. Widersprüche von seiner Frau oder seinen Kindern habe er nicht akzeptiert. Das sei auch das Mordmotiv gewesen. Sie hätten seinen Machtanspruch verletzt.
Das Martyrium der Familie P. begann mit der Hochzeit. "Es war keine Liebesheirat", sagte Celebi. Dem Richter zufolge schlug der Vater seine Frau und die älteste Tochter. Einmal warf er die Tochter zu Boden und bezeichnete sie als Hure, weil sie sich mit einem Jungen getroffen hatte. Er fuhr mit seiner Frau in ein Waldstück und setzte sie aus, holte sie aber kurze Zeit später wieder ab. Nach dem Umzug nach Mönchengladbach wurde die Situation noch schlimmer. Dem Gericht zufolge bedrohte er seine Frau mit einem Brotmesser und zwang sie, mit ihm zu schlafen. 30Mal habe er sie dazu gezwungen.
Die Situation eskalierte, als er die Schwester seiner Frau, die an Multiple Sklerose erkrankt und depressiv ist, zu Hause aufsuchte. Er habe gewusst, dass sie alleine war und sie vergewaltigt sowie sexuell genötigt, so der Richter. Das Urteil stützt sich in diesem Punkt vor allem auf die Aussage der Schwägerin vor Gericht. Während die Verteidigung die Schilderung als "temperamentvolles orientalisches Theater" abtat, glaubte das Gericht ihr. "Sie hat gezittert, ist zusammen gebrochen, hat dann aber mit Einzelheiten berichtet. Das war für sie als gläubige Muslima besonders schwer", begründete der Richter das Vertrauen in die Aussage.
Als die Ehefrau von Erol P. von der Vergewaltigung erfuhr, wollte sie sich von ihm trennen. Er aber hielt die Familie in der Wohnung gefangen. Zeugen berichteten, er habe gedroht, sie umzubringen, falls sie ihn verlasse, und gesagt: "Ich bin Gott. Ich kann eure Seelen nehmen." Trotzdem flüchtete die Frau am 1. Juli 2006 mit den Kindern in ein Frauenhaus. Für Erol P. noch schlimmer: Am 9.März 2007 kam es zum Sorgerechtsstreit vor dem Amtsgericht Rheydt. Erol P. hatte sich zuvor eine Pistole besorgt und fuhr nach der Verhandlung zur Wohnung seiner Frau.
Justizskandal Der Doppelmord hatte einen Justizskandal ausgelöst. Denn als Erol P. am 9. März 2007 vor Gericht um das Sorgerecht für seine Kinder streitet, liegt gegen ihn bereits ein Haftbefehl wegen Vergewaltigung vor. Die Anwältin Gülsen Celebi, die seine Frau vertritt, informiert den Familienrichter darüber, der schaltet die Staatsanwaltschaft ein. Doch Erol P. wird nicht festgenommen. Und kurze Zeit später bringt er seine Frau und Schwester um. "Die Morde hätten verhindert werden müssen", sagte dann auch gestern ein Sprecher des Mönchengladbacher Landgerichts.
Ermittlungen Wochenlang ermittelt die Justiz nach der Bluttat in den eigenen Reihen, stellt die Ermittlungen aber ein. Nordrhein-Westfalens Justizministerin Roswitha Müller-Piepenkötter (CDU) kritisiert schließlich die Staatsanwaltschaft. Diese hatte nicht nur den Haftbefehl nicht in den Fahndungscomputer der Polizei eingestellt. Als der Anruf des Familienrichters bei einer Mitarbeiterin einging, hatten Staatsanwälte ihr lediglich den Rat erteilt, den Anrufer an die Polizei zu verweisen, falls er sich noch einmal melde, so die Erklärung.
Reaktion "Zumindest hat es keinen weiteren Justiz-Skandal gegeben", sagte Anwältin Celebi gestern. Alles andere als Höchststrafe mit Sicherungsverwahrung wäre ein Skandal gewesen.
Sicherungsverwahrung Erol P. kommt wegen der besonderen Schwere der Schuld mindestens für 18Jahre in Haft. Grundsätzlich könnte ein Gericht danach entscheiden, die lebenslange Haftstrafe zur Bewährung auszusetzen. Weil das Gericht aber die Sicherungsverwahrung angeordnet hat, kommt er aber auch in diesem Fall nicht aus dem Gefängnis heraus.