Regisseur Adolf Winkelmann: Ein vielseitig Aufmüpfiger
Porträt: Der Regisseur Adolf Winkelmann drehte früher Ruhrpott-Komödien und jetzt den ARD-Zweiteiler „Contergan“.
Dortmund. Adolf Winkelmann ist (61), um es kurz zu machen, groß, Beamter und ein netter Kerl. Die Sache mit der Körperlänge ist besonders auffällig, wenn man ihm, in einem bequemen Sessel versinkend, in seiner Dortmunder Wohnung an einem gigantischen Tisch gegenübersitzt. Still fragt man sich, wie sich hier Menschen unter einsfünfundsiebzig fühlen, wenn sie ihre Nase gerade so über die Tischplatte heben.
Zweimal taucht der lange Schlaks Winkelmann im eigenen Film "Contergan" (ARD Mittwoch und Donnerstag 20.15 Uhr) auf. Der Regisseur drängelt sich als Reporter mit Fotoapparat und Filmkamera ins Bild. Da kommt im Gespräch Begeisterung auf: Das sei bei den Dreharbeiten genauso gewesen wie früher bei den Demonstrationen, als er auch immer mit dieser Kamera, einer Arri BL, unterwegs gewesen sei, sagt Winkelmann.
Er ist einer aus einer lebenshungrigen, aufsässigen Generation, der einen nicht unerheblichen Teil seines Lebens durch die Kamera-Linse auf die Welt blickte. Jahrgang 1946, geboren in Hallenberg/Westfalen, aufgewachsen als Sohn eines Speditionskaufmanns in Dortmund, wo er 1965 Abitur machte. Zuerst drehte er Experimentalfilme, erhielt 1968 bei einem Festival in Mannheim eine frühe Auszeichnung in der schönen Kategorie "eigenwilliger Film".
Während heute in den Feuilletons schwer am Erbe der 68er gekaut wird, ist Winkelmann ein fröhlich bekennender Ex-Revoluzzer. "Ich habe damals in Kassel studiert, wir haben unsere Hochschule auseinandergenommen." 1979 wurde aus dem aufmüpfigen Filmemacher ein verbeamteter Professor für Film in Dortmund, auch der Verfassungsschutz, na Gott sei Dank, gab seinen Segen dazu. In den Semesterferien dreht er selbst. Und in dem ARD-Zweiteiler "Contergan" ist der kritische Blick eines 68ers auf die Wirtschaftswunderjahre leicht auszumachen.
Winkelmann erinnert sich gut an seine Zeit als Teenager, als die Contergan-Kinder auf den Straßen angestarrt wurden. "Man empfand sie als ,unschönen Anblick’, fühlte sich ,belästigt’. Ich habe Worte wie ,Missgeburten’ oder ,Krüppel’ wohl übernommen, ohne sie zu hinterfragen."
Gut 40 Jahre später hat sich Winkelmann zu einer Art Experten für das Filmen mit Behinderten entwickelt. Vor "Contergan" drehte er zwei Fernsehfilme ("Engelchen flieg", "Das Leuchten der Sterne") mit der jungen Marlene Beilharz, einem Mädchen, das seine Gliedmaßen kaum kontrollieren und nur schwer verständlich sprechen kann.
Im Vergleich zu "Contergan" waren das kleine Filme, Alltagsgeschichten, die sich dadurch auszeichneten, dass der Regisseur die Persönlichkeit und Ausdrucksstärke Marlenes mit viel Sorgfalt in Szene setzte. Bei "Contergan" bestand er darauf, dass nur ein tatsächlich behindertes Kind die Rolle der Wegener-Tochter Katrin spielen kann.
Filme Mit den skurrilen Ruhrgebiets-Komödien "Die Abfahrer" (1978) und "Jede Menge Kohle" (1981) erreichte Adolf Winkelmann erstmals ein großes Publikum. Von gebrochenen Helden erzählen auch die rauen Fernsehthriller, für die er zwei Grimme-Preise erhielt: "Der Leibwächter" (1989) mit Franz Xaver Kroetz und "Der letzte Kurier" (1996) mit Sissi Perlinger. Dagegen floppte seine Guildo-Horn-Komödie "Waschen, Schneiden, Legen" (1999) im Kino. Für die Expo 2000 schuf er eine Video-Installation über Deutschland, ehe er mit "Engelchen flieg" (2004) erstmals einen Familienfilm fürs Fernsehen drehte.