Rettung verletzter Kinder aus Gaza: „Alltag wird das nie werden“

Der Mediziner Tobias Bexten hat verletzte Kinder aus Gaza nach Düsseldorf begleitet. Wir waren dabei.

Versorgten den neunjährigen Thaer (im Vakuumbett) noch am Düsseldorfer Flughafen: Die ehrenamtlichen Friedensdorf-Helfer Dr. Tobias Bexten (2.v.r.) und der Essener Gymnasiallehrer Boris Böcker (r). Links am Rand im Bild Friedensdorf-Leiter Thomas Jakobs.

Foto: uli preuss

Kairo/Düsseldorf/Solingen. Fatima kommt nicht mehr nach Deutschland. Irgendwo im Gaza, in der Hitze der Wüste, versagte ihr Körper. Ihre Verbrennungen hätten schnellere Hilfe gebraucht. „Sehr dringend“ stand hinter ihrem Name auf der Anforderungsliste des Friedensdorfes. Doch woher soll die Hilfe kommen, wenn nach 51 Tagen Krieg alles in Schutt und Asche liegt? Als die Zweijährige starb, waren es vier Tage bis zum rettenden Flug zu deutschen Ärzten.

Mohammad, acht Jahre: Der Junge ist bei einem Raketenangriff verletzt worden. Er wird in der Solinger St. Lukas-Klinik behandelt.

Foto: Uli Preuss

Auch Rahaf wird nicht mehr nach Düsseldorf fliegen. Einen Granatsplitter hatten die Kriegschirurgen der Fünfjährigen noch in Palästina entfernt, keiner wusste zu diesem Zeitpunkt, ob noch weitere in ihrem kleinen Kopf steckten. Rahaf starb zwischen dem Sinai und Kairo, einen einzigen Tag vor ihrem Flug an den Rhein.

Aisha wurde Mitte August bei einer Explosion schwer verbrannt. Sie wird im Ruhrgebiet behandelt, DRK-Helfer aus Remscheid fuhren sie hin.

Foto: uli preuss

Das Kind — es wäre im Solinger Klinikum vom gleichen Neurochirurgen operiert worden, der zuletzt Hollywoodstar George Clooney half. Welten, nein Universen treffen zusammen. Nun kamen 42 schwer verletzte Kinder, begleitet von Mitarbeitern der Oberhausener Hilfsorganisation „Friedensdorf International“, mit einem Sonderflug aus Kairo in Düsseldorf an.

Wenn Kinder auf den Einsätzen sterben, ist auch ein hartgesottener Helfer wie Thomas Jakobs unsagbar traurig. Dann kommt es vor, dass sich der stille Friedensdorf-Leiter fest auf die Unterlippe beißt und die Fäuste nicht mehr aus der Tasche bekommt. Jakobs erlebte die ersten Friedensdorf-Einsätze in Kabul Ende der 80er Jahre. Da war es auch so schlimm.

Die Aktion war im Vorfeld von einer Welle der Hilfsbereitschaft begleitet worden. Krankenhäuser von Konstanz bis Hamburg machten Betten frei und Operateure stehen seit gestern bereit, um den Kindern zu helfen. Drei Kinder werden in Solingen und Opladen versorgt. Die erzählen unschuldig von Dingen, die selbst erwachsene Palästinenser allzu gerne verdrängen würden. Thomas Jakobs: „Ob F16 -Anflug oder Kampfhubschrauber — jedes Kind konnte uns haarklein schildern, bei welcher Art Angriff es verletzt wurde.“

Mit auf dem Rückflug dabei war auch der Arzt Tobias Bexten, ein Mediziner, der schon auf vielen Friedensdorf-Einsätzen gearbeitet hat. „Ich zwinge mich zur Routine, aber Alltag wird das hier für mich nie werden“, sagt Bexten, der sich in Kairo besonders um den neunjährigen Thaer kümmerte. Ein Kind, das in einem süddeutschen Krankenhaus versorgt wird.

Thaer hat schwere Verletzungen am ganzen Körper nach einer Explosion. Sein rechtes Bein wurde oberhalb des Knies amputiert. Auf der Anforderungsliste des Friedensdorf stand — wie bei Fatima — „sehr dringend“.