Richtlinie: Roulette für Rollstuhlfahrer
Nach einer EU-Regelung darf seit Januar nur noch ein Rollstuhlfahrer pro Bus mitfahren.
<strong>Düsseldorf/Wuppertal. Stellen Sie sich vor, sich möchten zu Zweit einen Ausflug machen - im Linienbus. Kein Problem. Doch jetzt stellen Sie sich vor, Sie säßen beide im Rollstuhl. Auch kein Problem? Doch. Seit 1. Januar 2008 haben neu zugelassene Busse nur noch einen Rollstuhlstellplatz. Obwohl theoretisch zwei Rollstühle in den Bus passen würden, darf nur einer mit. Sonst riskiert der Fahrer 50 Euro Bußgeld und einen Punkt in Flensburg. Kein Witz, sondern bittere Realität.
Die Umsetzung der EU-Richtlinie geriet zum Desaster
Dabei war alles nur gut gemeint. Denn Schuld an dem Desaster ist die so genannte EU-Busrichtlinie. Deren Ziel: Rollstuhlfahrer sollen europaweit die Möglichkeit haben, Linienbusse zu nutzen. Denn in einigen Ländern werden auch Reisebusse mit hohem Einstieg im Linienverkehr eingesetzt - unmöglich für Rollstuhlfahrer.
"Bei der Umsetzung der Richtlinie wurde übersehen, dass in Deutschland schon seit Jahren die Möglichkeit besteht, Rollstühle - auch mehr als einen - in Bussen mitzunehmen", sagt Georg Schumacher, Sprecher der Düsseldorfer Rheinbahn. Man bemühe sich seit Jahren, den Service für Behinderte stetig zu verbessern. "Dazu gehören Rampen, absenkbare Busse und Niederflurbahnen", so Schumacher.
In allen Rheinbahn-Bussen, die 2008 zugelassen sind, wurde in den Papieren nur ein Rollstuhlstellplatz vermerkt. "Das macht aber der Hersteller. Und sobald es so in den Fahrzeugpapieren steht, dürfen wir nur einen Rollstuhlfahrer befördern."
Und warum nicht einfach zwei Rollstuhlplätze eintragen? "Ich kann hierzu nur Vermutungen anstellen", sagt Schumacher. Für einen Stellplatz müssen bestimmte Anforderungen erfüllt werden, unter anderem eine Anlehnplatte. "Eine zweite Platte würde auf der Mehrzweckfläche wie ein Raumteiler wirken und so den Platz etwa für Fahrräder verbauen."
Die selben Regeln wie bei der Rheinbahn gelten in den Bussen der Wuppertaler Stadtwerke. Dort sind sogar sämtliche Busse betroffen, die seit dem 1. Januar 2005 zugelassen wurden - 41 an der Zahl. Um Diskussionen zwischen Rollstuhlfahrern und Busfahrern zu vermeiden, soll künftig von weitem sichtbar sein, ob ein Bus einen oder mehrere Rollstuhlfahrer mitnehmen kann.
Für die ist das allerdings nur ein schwacher Trost. Sie können von außen nicht sehen, ob der Platz schon besetzt ist und sie auf den nächsten Bus warten müssen. Im besten Fall kommt ein älterer Linienbus. Für die greift die Richtlinie nicht, es dürfen auch zwei oder drei Rolli-Fahrer mitgenommen werden. Sie müssen dann allerdings selbst für einen festen Halt sorgen. Für Kinderwagen und Gehhilfen, sogenannte Rollatoren, gilt die Regelung ebenfalls nicht - für Rollstuhlfahrer völlig unverständlich.
Das Bundesverkehrsministerium sieht jedoch keinen Handlungsbedarf. Dort herrscht die Ansicht, dass man die EU-Richtlinie auf die einzig mögliche Art und Weise umgesetzt hat. Handeln müssten die Verkehrsbetriebe, heißt es. Es stünde allen frei, einen zweiten Stellplatz einbauen zu lassen. Oder für Rollstuhlfahrer, die an der Haltestelle zurückbleiben müssen, per Funk einen Rufbus für Behinderte zu ordern.
Stellplatz Ein Rollstuhlstellplatz muss laut Richtlinie eine Anlehnplatte, eine klappbare Armlehne und einen eigenen Halteknopf in entsprechender Höhe haben.
Umsetzung Bei der Umsetzung der EU-Busrichtlinie wurde in Deutschland die StVZO so geändert, dass bei der Zulassung von Bussen in den Fahrzeugpapieren eingetragen werden muss, wie viele Sitz-, Steh- und Stellplätze für Rollstühle es im Bus gibt. Die EU-Richtlinie verlangt jedoch lediglich, dass die Platzzahl sichtbar ausgewiesen wird.
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