Rotes Sofa in der Löwen-Höhle
Seit Ende der 1970er Jahre zieht der Fotograf Horst Wackerbarth mit dem Möbel durch die Welt. Jetzt musste es zum Härtetest.
Düsseldorf/Duisburg. Horst Wackerbarth und sein rotes Sofa sind längst eine Einheit geworden. 200000Kilometer sind die beiden, der Mann mit der Kamera und sein Objekt und Motiv, durch Dutzende von Ländern geschaukelt. Jetzt ließ er das rote Sofa von Löwen im Duisburger Zoo "zerfleischen".
Für die Kulturhauptstadt 2010 ist das Projekt gedacht, bei dem es um Fragen der Migration geht. Nun ist Wackerbarth kein Sozialkritiker sondern Künstler. Als Migranten bezeichnet er nicht nur Flüchtlinge sondern auch Tiere. Löwen stammen aus Afrika oder Asien und sind längst im Wildgehege heimisch geworden. Er schob sein Sofa in die Höhle des Löwen und beobachtete:
"Die Löwen haben die Couch behandelt, als würden sie ein großes Tier töten. Die Alpha-Löwin machte den ersten Biss, und irgendwann kam der Alte und ließ die Frauen nicht mehr ran. Zunächst hielt er sich zurück, dann scheuchte er sie weg und sicherte sich die besten Stücke, in diesem Fall die Kissen.
Zum Schluss ließ er die Löwinnen wieder ran, als er seine Bedürfnisse gestillt hatte. Das war alles wie im richtigen Tier-Leben." Als Fotofolge festgehalten, werden die Szenen in Duisburg gezeigt, bevor sie auf Tournee durch die Türkei, Frankreich, China, Russland und Honduras gehen.
Seit Ende der 1970er Jahre zieht Wackerbarth mit dem Möbel durch die Welt, das rote Sofa ist zu seinem Markenzeichen geworden. "Ich bin von der Couch in Geiselhaft genommen", sagt er im Gespräch. Er benutze das Sofa "nicht mehr als PR-Kiste für Biertrinker", die Couch sei ihm zum Dialogpartner geworden. "Neuerdings stelle ich sie irgendwo hin und gucke, was passiert. Das war beim Löwenkäfig so und später bei einer Grillparty für 94 Flüchtlinge aus 20 Nationen."
Wackerbarth hatte gesehen, dass Heimbewohner im Sommer mehrere Sofas und Sessel in den Garten stellen und es sich gemütlich machen. Daraufhin gesellte er sein Sofa dazu, es wurde sofort in Beschlag genommen, zum Kaffee-Rösten und Trinken. Er suche jetzt das Normale und Alltägliche. Werbung, etwa für Schlösser Alt, mit dem Schäfer in der Umgebung des Sitzgeräts, mache er nicht mehr.
Aber es gibt Nachahmer. Eine Bürgerinitiative in Gelsenkirchen nahm ein normales Sofa, legte einen roten Stoff drüber und fotografierte Mitbürger. Wackerbarth fühlte sich an eine "Bastelstunde der Volkshochschule" erinnert und schritt nicht ein. Als aber die Stadtwerke Bonn eine Werbekampagne mit einem Sofa machten, reagierte er "sauer" und drohte einen Urheberrechts-Prozess an.
Für ihn ist das Sofa längst zur Bühne geworden. "Wenn die Menschen dort sitzen, sehen sie schön und erhaben aus. Sie bekommen eine Würde. Dann sind sie untauglich, Bürgerkriege zu führen. Denn der Mensch auf dem Thron wird ernst genommen." Es nahmen Stargeiger Yehudi Menuhin, Schauspieler Peter Ustinov, Ex-Staatsmann Michail Gorbatschow, der inzwischen verstorbene Maler Jörg Immendorff, ein Fremdenlegionär oder jüngst die Friedensmutter Barbara Gladysch dort Platz.
Es versteht sich, dass die Couch immer wieder geflickt wird. Selbst die Löwen waren nicht in der Lage, das Gerät restlos zu zerstören. Noch hat die Couch immer überlebt.