Schnipp, schnapp, Krawatte ab: Der Richter gibt Alten Weibern nicht immer Recht
Der Schnitt in Krawattenseide kann auch vor dem Richter enden. Über Spaßbremsen und tief sitzende Motive.
Düsseldorf. Sie reisen in ein fremdes Land, mit dessen Sitten Sie nicht vertraut sind. In dem Geschäft, das Sie arglos betreten, fragt die Bedienung aber nicht nach Ihrem Begehr, sondern greift zur Schere und schneidet Ihnen die Krawatte ab. Eben das kann bekanntlich passieren, wenn das fremde Land die Karnevalshochburgen sind und gerade Altweiber, also heute, ist.
Freilich kann der Schlipsträger im Nachhinein Satisfaktion suchen. So hat 1988 ein Essener Amtsrichter einem Mann 40 Mark Schadensersatz zugesprochen, weil ihm die Angestellte eines Reisebüros die Krawatte zerteilt hatte. Ihre Argumentation, das sei eine uralte Sitte, verfing beim Richter nicht.
Die Herkunft dieses Brauches ist nicht ganz klar. Manche Psychologen sprechen von der Befriedigung tief sitzender weiblicher Kastrationswünsche. Andere sind zurückhaltender und deuten das Verhalten nur als symbolische Beschneidung männlicher Macht: Die Krawatte, einst Statussymbol des Vorgesetzten, wird abgeschnitten und damit der Statusunterschied wenigstens für ein paar Stunden eingeebnet.
Weil sich kaum ein weiterer Richterspruch zu dieser Frage findet, lässt sich folgern, dass der „Scherenschnitt“ im allgemeinen ohne juristische Folgen bleibt. Im Gegenteil: Jeder Kollege oder Chef, der heute Nachmittag noch mit intaktem Binder herumläuft, sollte sich fragen, ob vielleicht mit ihm etwas nicht stimmt.
A propos Chef: Dürfen Sie dem vielleicht heute eine ganz lange Pappnase zeigen und in die Kneipe statt zur Arbeit gehen? Natürlich nicht: Weder Altweiber noch Rosenmontag sind Ferientage. Wegbleiben darf man nur, wenn dies tarifvertraglich, im Arbeitsvertrag oder durch betriebliche Übung so geregelt ist.