Star-Fußballer Paul Gascoigne steht allein am Abgrund

Paul Gascoigne gehörte in den 90er Jahren zu den besten Fußballern der Welt. Heute sorgt der Alkoholiker nur noch mit Selbstmordversuchen für Schlagzeilen.

Newcastle. Ein Mann bestellt beim Zimmerservice ein Steak. Wenige Minuten später ruft er erneut an und sagt: "Vergessen Sie das Steak, ich brauche nur das Messer." Geistesgegenwärtig ruft das Hotelpersonal die Polizei. Kurz darauf finden die Beamten den Mann in der Badewanne seines Hotelzimmers, während er versucht, sich selbst zu ertränken.

Die Rede ist von Paul Gascoigne. Nach diesem Selbstmordversuch im Mai dieses Jahres sorgte der frühere englische Fußballheld jetzt wieder für Negativschlagzeilen.

Laut der britischen Zeitung Sun wurde er am Wochenende in einem Hotelzimmer in Portugal bewusstlos aufgefunden. Sein Magen musste ausgepumpt werden. "Gazza" hatte offenbar versucht, sich mit einem Alkohol- und Drogencocktail das Leben zu nehmen. Seine Ex-Frau und seine Kinder schrie er an: "Lasst mich bitte sterben!"

In den 90er Jahren zählte der Junge aus ärmlichen Verhältnissen zu den weltbesten Fußballern. Bei der Weltmeisterschaft 1990 führte der bullige Techniker das englische Team ins Halbfinale in Turin. Dort ließ er dem besten Spieler des Turniers, Lothar Matthäus, keine Chance. Das Spiel ging trotzdem verloren. Deutschland gewann im Elfmeterschießen.

Genauso wie bei der Europameisterschaft 1996: Wieder Halbfinale, wieder Deutschland, wieder Elfmeterschießen und wieder gewannen diese Deutschen. Ein englisches Schicksal, das kaum einer besser verkörpert als Paul Gascoigne.

Die Nummer Acht war ein Idol. Nicht nur wegen seiner Leistungen auf dem Platz - abseits des Rasens liebten ihn die Fans für seine derben Späße. So schenkte er einmal seinem dunkelhäutigen Teamkameraden Tony Cunningham eine Dauerkarte fürs Solarium.

Schon während der Karriere kämpfte er gegen seine Alkoholsucht. Skandale in Pubs und Bordellen pflasterten seinen Weg. Er verprügelte seine Frau und wurde wegen Vergewaltigung angeklagt. Das alles kostete ihn die Titel, die ein ganz großer Fußballer gewinnen muss. Für "Gazza" reichte es nur zu Pokalsiegen in England und Schottland sowie zum Gewinn der schottischen Meisterschaft.

Doch warum hat er sein Talent so verschleudert? Dies könnte auch ein spezielles britisches Problem sein. Jemand, der wie "Gazza" in der Halbzeitpause des schottischen Pokalendspiels zwei Whiskey im Vip-Raum trinkt und danach zwei Tore schießt, gilt bei den Fans auf der Insel als Held - nicht als Alkoholiker.

Britanniens Fußball weist viele dieser tragischen Helden auf: So wird zum Beispiel Man U-Legende und Alkoholiker George Best, der 2005 im Alter von 59 Jahren an einer Leberkrankheit starb, immer in einem Atemzug mit "Gazza" genannt. Best sagte mal über Gascoigne: "Er kommt mit der Presse nicht zurecht, ist arrogant und außerdem ein Säufer. Wenn sie mich fragen: Er hat alles, was man braucht."

Oft wurde Gascoigne einfach nur als dumm hingestellt. Das ist zu einfach, um seine Probleme zu beschreiben. In seiner Autobiografie schreibt "Gazza", dass er schon als Kind an Zwangshandlungen, Psychosen und einer großen Angst vor dem Tod litt.

Alles Probleme, die im Vorstadt-England der 70er Jahre nicht ernst genommen wurden. Probleme, mit denen der gefallene Held auch heute allein ist. Diejenigen, die ihn einst bejubelten und ihm auf die Schulter klopften, sind nicht mehr da. "Gazza" steht allein am Abgrund.