Thomas D vor dem Startschuss zum ESC: "Ich will keine Kandiaten verheizen"

Popstar Thomas D über die Suche nach einem Lena-Ersatz für den Eurovision Song Contest, was in anderen Castingshows falsch läuft, seinen Job als Nachfolger von Stefan Raab und was er sich von Schlager-Urgestein Nicole abschauen will.

Berlin. Er tritt ein schweres Erbe an: Popstar Thomas D ist der neue Jurypräsident beim deutschen Vorentscheid zum "Eurovision Song Contest" (ESC). Der 43-Jährige ist damit Nachfolger von TV-Entertainer Stefan Raab, der Fräuleinwunder Lena Meyer-Landrut 2010 zum Sensationssieg und im Folgejahr zu einem respektablen zehnten Platz bei dem Musikwettbewerb geführt hat.

Der Schwabe, der mit bürgerlichem Namen Thomas Dürr heißt, muss nun einen Kandidaten finden, der Deutschland im kommenden Mai beim ESC im aserbaidschanischen Baku würdig vertritt.

"Unser Star für Baku" heißt denn auch die achtteilige Castingshow, die sich Pro Sieben und das Erste wie gewohnt teilen: Die Auftaktfolge läuft am 12. Januar bei dem Privatsender, das Finale am 16. Februar in der ARD.

Thomas D wurde mit der Hip-Hop-Band "Die fantastischen Vier" berühmt, konnte sich in den vergangenen Jahren aber auch als Solokünstler einen Namen machen. Er lebt mit seiner Familie in einer ländlichen Künstlerkommune in der Eifel.

Bevor wir mit dem Gespräch über Ihren Job als Jurypräsident bei der Show "Unser Star für Baku" loslegen: Wie möchten Sie angesprochen werden? Mit Ihrem Künstlernamen Thomas D?

Thomas Dürr: Ich finde, Herr Präsident steht mir ganz gut (lacht).

Wie wollen Sie Ihre Rolle angehen? Böse wie Dieter Bohlen?

Thomas Dürr: Nee, ich bin ja schon der Gute. Ich glaube, ich werde einfach sagen, was ich im Moment denke. In manchen anderen Castingshows sind ja selbst die Gefühle gescripted. Ich kriege die Krise wenn die Juroren Sätze sagen wie: "Als du das letzte Mal da warst, hatte ich Gänsehaut. Heute, da hatte ich nur das kalte Grauen."

Insgesamt haben Castingshows nicht den besten Ruf. Hatten Sie als renommierter Musiker keine Bedenken, da mitzumachen?

Thomas Dürr: Ich habe mich schon mit meiner Familie, meiner Band und meinem Management beraten. Ich will ja einerseits meinen Spaß haben, aber ich nehme das Ganze andererseits auch ernst. Ich will keinen Kandidaten kurz mal eben ins Rampenlicht stoßen und verheizen, wie ich es in anderen Shows sehe, sondern ich will mich auch um den Menschen kümmern. Das ist eine große Verantwortung.

Sie produzieren das erste Album desjenigen, der den Vorentscheid gewinnt und als Nachfolger von Lena Meyer-Landrut für Deutschland zum Eurovision Song Contest nach Baku fährt. Mit welcher Platzierung wären Sie denn zufrieden?

Thomas Dürr: Natürlich wäre der letzte Platz echt peinlich, den will keiner, da muss man gesenkten Hauptes nach Hause gehen. Aber mein erklärtes Ziel ist nicht der erste Platz, sondern einen Künstler zu finden und den Beginn einer Karriere einzuleiten. Vielleicht ja auch mit einem Gewinn beim ESC, aber auf jeden Fall mit einer guten Performance und einem guten Album.

Viele Castingsieger verschwinden rasch in der Versenkung...

Thomas Dürr: In den meisten Castingshows geht es doch nur um die Show. Man sucht einen, der halbwegs singen kann und interessiert sich ansonsten hauptsächlich dafür, ob es in seiner Familie Krebs oder Skandale gibt. Aber Stefan Raab hat gezeigt, dass es auch anders geht, er hat zum Beispiel Max Mutzke oder Stefanie Heinzmann gefunden, die beide heute noch Musik machen und den Weg eines Künstlers gehen - durch Höhen und Tiefen. Ich will eine Künstlerförderung betreiben, wie sie heute in Deutschland kaum noch stattfindet, weil der Musikmarkt so geschrumpft ist. Und mit der Sendung haben wir eine tolle Plattform, um direkt vom Start weg große Aufmerksamkeit auf einen Künstler zu lenken.

Allerdings werden junge Menschen wie Lena über Nacht ins Rampenlicht gerückt und müssen auch mit den Schattenseiten des plötzlichen Ruhmes klarkommen.

Thomas Dürr: Die Leute haben die Chance, von null auf hundert in aller Munde zu sein. Und vielleicht denken manche danach: Oh Gott, hätte ich es nur nie gemacht. Wie es ist, so in der Öffentlichkeit zu stehen, dieses Verlieren der Anonymität, das kann man sich nicht vorstellen, das muss man erlebt haben. Aber ich bin ja da, um die Kandidaten zu unterstützen und meine Erfahrungen mit ihnen zu teilen. Die Fantas sind vor 20 Jahren mit "Die da" auch über Nacht berühmt geworden.

Sie meinen Ihre Band, "Die Fantastischen Vier". Welches waren denn die lästigsten Begleiterscheinungen dieses Ruhmes?

Thomas Dürr: Den Tanzkurs in der "Bravo" fand ich sehr unangenehm. Da hatten sie uns dazu gebracht, dass wir uns für einen Hip-Hop-Dance in Bildern ablichten lassen, das war schon sehr bescheuert. Seit damals habe ich gelernt auch mal Nein zu sagen.

Als Hip-Hop-Musiker sind Sie vermutlich kein altgedienter Fan des Eurovision Song Contest, oder?

Thomas Dürr: Ich muss gestehen, ein richtig dauerhafter Fan war ich nie. Als Kind fand ich es toll, wenn das Europazeichen mit den Sternen kam und die Hymne lief. In meiner Jugend, als ich dem Hip-Hop verfallen bin, hatte ich nicht mehr so viel Interesse. Es war damals ja auch ein Schlagerwettbewerb. Aber dann, auch dank Stefan Raab, ist mein Interesse zurückgekommen. Er hat uns nicht nur mit Lena, Guildo Horn, seinem eigenen Song und so weiter würdig vertreten, sondern hat dem ESC auch von der Musik her eine andere Farbe gegeben.

Aber an Nicole, die 1982 mit "Ein bisschen Frieden" den Sieg für Deutschland erträllerte, können Sie sich doch erinnern, oder?

Thomas Dürr: Klar, es war wirklich grandios. Und es war ein genialer Schachzug, als sie den Refrain in mehreren Sprachen gesungen hat. Vielleicht sollte in unserem Song für Baku in jeder Sprache einmal vorkommen: "Wählt mich!" Nein, ich mach' natürlich nur Spaß!

Bombast oder Ballade - welcher Musikstil wird Ihrer Einschätzung nach in Baku angesagt sein?

Thomas Dürr: Das Wichtigste ist, dass der Mensch, der Deutschland vertritt, authentisch ist. Dass er sein Herz auf die Bühne legt und man danach Gänsehaut hat, yeah. Ob das ein Countrymusiker ist oder eine Souldiva, ist egal. Ich bin kein Freund dieser Plastikacts, wo es nur um tolle Performance und tolle Tanzeinlagen geht. Vielleicht kann man damit sogar gewinnen - aber da fehlt mir einfach die Seele.

Und wie feiern Sie, wenn der deutsche Kandidat gewinnt?

Thomas Dürr: Jetzt geht es erst mal um die Show und das Album. Falls wir tatsächlich gewinnen sollten, dann flippe ich total aus, ich werde brennen - also emotional.