Traumsucher auf dem Highway

Bruce Springsteen, der Sänger mit dem großen Herzen für den kleinen Mann, wird am Mittwoch 60 Jahre alt.

New Jersey. Nur gut, dass seine Mutter Adele einst einen 60-Dollar-Kredit aufgenommen hat, damit sich ihr Sohn Bruce Frederick Joseph eine Gitarre kaufen konnte.

"Well I got this guitar and learned how to make it talk" singt er elf Jahre später: "Thunder Road" heißt dieser Giganten-Song und eröffnet 1975 ein Album namens "Born To Run" - der Durchbruch des Vorstadtjungen Bruce Springsteen, der als Held der Vorstädte New Jerseys erst die Ost-Küste der USA und dann die ganze Welt erobern sollte. Am Mittwoch feiert der "Boss", wie ihn seine Anhänger nennen, seinen 60. Geburtstag.

Erst an diesem Montag hat er sein Klassiker-Album "Born To Run" in Chicago am Stück live durchgespielt - 59 Minuten in einer 180-Minuten-Show. Und er erinnerte sich: "Damals waren wir kurz davor, von der Plattenfirma rausgeworfen zu werden. Das war unsere letzte Chance." Ein Kampf ums Überleben, ein Immer-wieder-aufstehen am Rande der Gesellschaft: Die Menschen, die das tagtäglich erleben, sind die Protagonisten in den Liedern Springsteens.

Er besingt die geplatzten Träume der Einwanderer, die unerfüllten Hoffnungen der Arbeiter, die Zweifel der GIs in Vietnam. Er verewigt die Kehrseite des amerikanischen Traums in fesselnden Hymnen, krachenden Rocksongs und melancholischen Balladen. Mehr als 120 Millionen verkaufte Platten haben ihn zum Multimillionär gemacht - ohne dass er seine Erdung verloren hat. Ihm gelingt der Spagat zwischen der Wucht des Stadionrocks seiner formidablen E-Street-Band und düsteren wie kargen Solo-Großtaten wie zuletzt mit "Devils & Dust" (2005).

Seine Geschichten siedelt er dort an, wo der "kleine Mann" zu treffen ist - an der Supermarkt-Kasse, in der Bar und immer wieder auf der Straße. Der Highway als Lauf des Lebens - und als roter Faden seiner Karriere. Dort sammelt er die Reste des amerikanischen Traums auf, sucht nach dem letzten Fünkchen Hoffnung für ein besseres Amerika. Dass er trotz aller Skepsis nicht die Zuversicht verliert, macht ihn zum Patrioten.

Und so taugt auch das Trauma vom 11.September 2001 dazu, der Springsteen’schen Legende wesentliche Kapitel hinzuzufügen. "Bruce, wir brauchen dich", soll ein Fan dem Musiker zugerufen haben. Die eingestürzten Türme des World Trade Centers lagen tonnenschwer auf der amerikanischen Seele, die Springsteen mit dem Album "The Rising" (2004) trefflich zu trösten verstand.

Mit der wieder zusammengeführten E-Street-Band an seiner Seite startete Springsteen eine seiner produktivsten Phasen überhaupt. Zuletzt erschien in diesem Januar "Working On A Dream" - sein 24. Album, das in 16 Ländern Nummer 1 wurde.

Seiner Hauskapelle will Springsteen nach dem Ende der "Working On A Dream"-Tour ab November eine Pause gönnen. Von zwei Jahren ist die Rede. Zurzeit spielen die Freunde ihre vielleicht bemerkenswertesten Konzerte überhaupt, sie werden mit Kritikerlob überhäuft.

Springsteen ist sicher nicht mehr die Zukunft des Rock’n’Roll, wie ihn sein späterer Manager Jon Landau in den 70ern lobte, aber die Gegenwart prägt er allemal: Einen energiegeladeneren Live-Performer gibt es nicht.

Dass sich der Boss selbst eine Auszeit nehmen wird, ist übrigens nicht zu befürchten. Ein neues Abum ist bereits geplant.