Weinkeller am Grunde der Ostsee
Marketing-Gag oder doch ein echtes Geschmackserlebnis? Ein Händler versenkt Rot- und Weißwein im Meer und hofft auf ein gutes Ergebnis.
Stralsund. Der genaue Ort in der Ostsee vor der Küste Mecklenburg-Vorpommerns ist geheim. Alexander Lau fürchtet Plünderer. Schließlich lagern in zehn Metern Tiefe zwischen Rostock und Stralsund 3600 Flaschen Rot- und Weißwein. Der von Meerwasser umspülte Rotspon und Wittspon ist in sechs Gitterboxen verpackt. Die Strömung erzeuge ein leises Schaukeln und bringe den Wein zu einer besonderen Reife, ist der Chef der 1899 gegründeten Hanseatischen Kolonialwaren Gesellschaft überzeugt.
Im Herbst soll der kulinarische Schatz gehoben werden. Die Tourismuszentralen der Hansestädte Rostock, Stralsund, Greifswald, Demmin, Anklam und Wismar warten mit Vorfreude auf das Ergebnis. „Wir sind schon ganz gespannt, wie der Wein aus der Ostsee schmeckt“, sagt der Tourismuschef der Hansestadt Demmin, Ronny Szabo.
Die Idee, den Wein in der Ostsee zu deponieren, kam Lau vor rund zwei Jahren, als die Lagerplätze im Weinkeller knapp wurden und Berichte über einen Champagner-Fund vor der Küste Finnlands die Runde machten.Taucher hatten in einem auf dem Grund der Ostsee liegenden Wrack 145 Flaschen Champagner entdeckt. Das Schiff war zwischen 1825 und 1830 gesunken. Acht Flaschen gingen dann bei einer Auktion für 96 500 Euro über den Tisch. Allein für eine Flasche Veuve Clicquot zahlte ein Käufer 15 000 Euro. Zuvor hatten Weinexperten dem Champagner einen besonderen Geschmack und ein „Aromen-Feuerwerk“ attestiert.
Im vergangenen Jahr ließ Lau die ersten Flaschen probehalber versenken. „Anfangs haben wir Einiges falsch gemacht“, sagt der 41-Jährige. Über den Korken sei Salzwasser in die Flaschen eingedrungen und habe den Wein ungenießbar gemacht. „Dann haben wir die Flaschenhälse mit Wachs versiegelt.“ Nach ersten Verkostungen ist sich Lau sicher, dass der Wein durch die Unterwasserlagerung gewonnen hat. „Durch die Schaukelbewegung wurde der Reifeprozess forciert. Der Rotwein ist weicher. Der Weißwein hat an Säure verloren.“
Experten vom Deutschen Weininstitut in Mainz halten eine Veränderung des Geschmacks durchaus für möglich. „Auf dem Grund der Ostsee ist es dunkel und kühl. Es herrscht eine konstante Temperatur“, sagt der Sprecher des Instituts, Ernst Büscher. „Ein guter Weinkeller kann das aber auch.“ Die Bewegung sorge dafür, dass chemische Prozesse zu einer Beschleunigung der Reifeprozesse beitragen. „Ich würde gern einen in der Ostsee gereiften Wein mit einem im Keller gelagerten vergleichen.“